Michael Hauser lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Er streut Pausen ins Gespräch, ohne der Frage auszuweichen. Er hat Verständnis dafür, dass die Fusion zur grössten Kirchgemeinde Europas, die sich die Zürcher Reformierten vorgenommen haben, Ängste weckt, und findet trotzdem, dass sie richtig ist. Vielleicht ist es diese Mischung aus überlegter Ruhe und selbstbewusster Zielstrebigkeit, die ihn in eine Behörde gebracht hat, von der er lange dachte, dass er da ziemlich sicher nicht hingehört.
Im Zürcher Quartier Wiedikon aufgewachsen und in der Zwinglikirche konfirmiert, war die reformierte Kirche zwar stets da, spielte in seinem Leben aber eine Nebenrolle. Interessant wurde sie für den früheren Stadtbaumeister von Winterthur, als sie sich mit einem Problem herumschlug, von dem er ziemlich viel versteht: Was tun mit Häusern und Kirchen, die wenig genutzt werden und viel kosten?
Eine Stimme der Passiven
In Winterthur wurde das Amt für Städtebau neu geschaffen, als Hauser seine Stelle 2007 antrat. In der wachsenden Stadt, in der Industrieareale brach lagen, fast nur Wohnungen gebaut wurden und die Hochschule mehr Platz suchte, erarbeitete sich der Zürcher einen hervorragenden Ruf. Er war präsent, wo es ihn brauchte, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Die Lust, Neuland zu betreten, hat ihn nun in eine Behörde geführt, die einmal eine Gemeinde regieren soll, die grösser wird als manche Landeskirche. Ermutigt hat ihn sein Partner, mit dem er in Zürich Selnau wohnt und der Schulpfleger sowie Mitglied der Musikschulkommission war. «Jetzt bin ich an der Reihe», sagt Hauser. Er gebe der schweigenden, eher passiven Mehrheit in der Kirche, zu der er sich selbst zählt, eine Stimme.
Seit Hauser 2017 die Winterthurer Amtsstuben verlassen hat, arbeitet er als Berater. «Ich habe das Privileg, über meine Verpflichtungen selbst zu bestimmen, so konnte ich mit der Selbstständigkeit auch ein gewisses Risiko eingehen.» Er unterstützt Investoren und Gemeinden, Immobilienprojekte und Ortsentwicklungen voranzutreiben, sitzt in Fachgremien von St. Gallen bis Köln. Dank seines Beziehungsnetzes muss er sich kaum aktiv um Aufträge bemühen. «Nur bei der Kirche habe ich das Mandat gesucht, weil mich das Potenzial von Kirchenräumen interessiert.»
Ideen zuerst ausprobieren
Die Frage, wie die Zürcher Reformierten ihre defizitären Immobilien bewirtschaften sollten, erhitzte zuletzt die Gemüter. Das einmal frei gesetzte Gespenst der Marktmiete liess sich schwer wieder einfangen. Spricht hingegen Hauser über die ideologisch aufgeladene Immobilienpolitik, klingt das angenehm unaufgeregt. «Ich habe keine Angst vor einer Brache», sagt er, um doch noch ein wenig theologisch zu werden: «Wir müssen wieder lernen zu teilen.» Die Fusion der bisherigen 32 Kirchgemeinden schaffe Raum für Experimente. «Oft wird zu schnell gebaut.» Projekte müssten in Zwischennutzungen zuerst den Praxistest bestehen. «Und nicht jede Idee braucht ein eigenes Haus.»
Nach zehn Jahren, wenn die neuen Strukturen selbstverständlich geworden sind, werde ihm vielleicht «wieder langweilig», sagt Hauser noch. Bekommt er dann nur halb so viel Applaus wie nach seinem Abgang in Winterthur, hat er einen guten Job gemacht.