Warum wollen Sie Präsidentin der Zürcher Kirchenpflege werden?
Annelies Hegnauer: Frischer Wind tut der Kirchgemeinde gut, aber es darf kein Sturm daraus werden. Der Fusionsprozess ist noch nicht abgeschlossen, das System braucht jetzt Stabilität. Nach dem Rückzug von Andreas Hurter haben mich prominente Stimmen aus der Zürcher Kirche zur Kandidatur ermuntert. Weil auch meine vier Kolleginnen und Kollegen in der Übergangskirchenpflege, die wieder antreten, mich unterstützen, trete ich an.
Ihre Konkurrenten Res Peter und Michael Braunschweig würden Sturm bedeuten?
Sie würden sicher vieles infrage stellen und eigene Ideen verwirklichen wollen. Doch dafür ist die Struktur noch zu fragil.
Sie sind eine Übergangspräsidentin?
Ich werde nicht nochmals antreten und 2022 aus der Kirchenpflege zurücktreten.
Der Präsident der Übergangskirchenpflege, Andreas Hurter, sagte gegenüber reformiert., die Wahlen kämen für die Kirchenpflege eigentlich zu früh. Einverstanden?
Tatsächlich hat die Findungskommission Persönlichkeiten gesucht, die sich für die nächsten vier Jahre zur Verfügung stellen. Das war sinnvoll, weil wir beispielsweise die Kompetenzregelungen zwischen Geschäftsstelle und Kirchenpflege auf gesamtstädtischer Ebene oder zwischen den Betriebsleitungen und Kirchenkreiskommissionen auf Kreisebene noch justieren müssen. Operatives Geschäft und Strategie sind in der Theorie klar getrennt, doch in der Praxis bestehen Überschneidungen. Da brauchen wir zuerst Erfahrungswerte und Diskussionen. Die Wahlen im November waren deshalb eigentlich als Bestätigungswahlen gedacht.
Bestätigungswahlen durch das Volk: ein seltsames Demokratieverständnis.
Grundsätzlich sind es natürlich offene Wahlen, und der Wahlkampf bringt die Kirche ins Gespräch. Das ist gut. Trotzdem kann es jetzt nicht um eine Richtungswahl gehen. Wir müssen die Strukturen zuerst festigen. Wir hatten eine lang dauernde Vakanz in der Geschäftsstelle und einen Wechsel in der Immobilienverwaltung. Wenn es jetzt auch noch in der Kirchenpflege zum grossen Umbruch kommt, drohen ein Knowhow-Verlust und viel Unsicherheit.
Was bringen Sie mit für das Amt, ausser dass sie schon dabei sind?
Mich haben Führungsaufgaben schon immer gereizt. Ich habe viel Erfahrung auf den unterschiedlichen Ebenen der Kirche gesammelt. In der Synode, in meiner Kirchgemeinde und im Fusionsprozess. Meine beiden Konkurrenten sind Theologen und verkündigen das Evangelium durch das Wort. Ich verkündige das Evangelium durch Taten. Zum Beispiel in meiner langjährigen Tätigkeit beim Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks).
Sie sind Kommunikationsfachfrau. Hat die Kirche besseres Marketing nötig?
Marketing ist in der Kirche ein bisschen verpönt, aber das braucht es auch, ja. Ich bin überzeugt: Kirche ist Kommunikation. Egal, ob eine Pfarrerin predigt oder ein Diakon mit Jugendlichen ein Projekt aufgleist. Zudem ist die Kirche auf Menschen angewiesen, die ihre Angebote im Moment nicht brauchen, aber mit ihr solidarisch sind. Diese Menschen müssen wir durch unsere Kommunikation erreichen. Ich glaube auch, dass wir eine Identität der Stadtzürcher Kirche aufbauen müssen.
Aber Menschen identifizieren sich doch vor allem mit der Gemeinde vor Ort. Der strukturelle Überbau ist allen, die nicht in einer Behörde sitzen, ziemlich egal.
Richtig ist, dass wir den Gemeindebegriff differenzieren müssen. Es gibt die Gemeinde im Gottesdienst, im Kirchgemeindehaus, die von Beziehungen und unmittelbarer Zugehörigkeit lebt. Darüber hinaus gibt es aber die Kirchgemeinde und die Landeskirche. Und es ist eine Chance, wenn wir als grosse Kirchgemeinde eine verbindende Identität aufbauen, die auch die Landeskirche bereichert. Ich weiss aber, dass Identität und Zugehörigkeit nicht verordnet werden können, beides muss wachsen.
Ein Versprechen der Fusion war, dass die Mitarbeitenden vor Ort entlastet werden. Bisher ist die Belastung eher gestiegen.
Das stimmt. Noch sind wir in der Belastungsphase. Viele suchen ihren Ort in der neuen Struktur, es braucht viele Absprachen. Mit dem durch die Zusammenarbeit wachsenden Vertrauen werden wir Abläufe vereinfachen, Aufgaben delegieren und Aufbrüche erleichtern. Gerade deshalb ist jetzt Kontinuität so wichtig.
Und bis zum Ende der Legislatur werden Sie die Entlastungsphase erreicht haben?
Das schaffen wir. In drei Jahren werden die Entlastungen spürbar sein.