Gemeinsam im umkämpften Spendenmarkt bestehen

Fusion

Mit ihrer Fusion rüsten sich die beiden kirchlichen Hilfswerke Heks und Brot für alle für die Zukunft. Die Spendenbereitschaft ist gross, aber die Konkurrenz in der Branche auch.

«Drum prüfe, wer sich ewig bindet»: Dieses Schiller-Zitat scheinen sich die beiden frisch Vereinten zu Herzen genommen zu haben. Denn der Weg bis zur Fusion des reformierten Hilfswerks Heks und der Stiftung Brot für alle (Bfa) der Evangelisch-reformierten Kirchen Schweiz war lang. Fusionspläne gab es schon in den 1990er-Jahren.

Ungleiche Partner

Nun ist es so weit: Die neue Organisation startete am 1. Januar 2022 unter dem Namen «Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz» (Heks). Ihr Logo, oben der Name «Heks» in grossen Lettern, darunter klein «Brot für alle», macht deutlich: Hier schliessen sich zwei ungleiche Partner zusammen. Das Heks bringt mit rund zehnmal mehr Mitarbeitenden und einem zehnmal grösseren Jahresbudget wesentlich mehr in die Ehe.

Das Hilfswerk Brot für alle wurde 1971 mit Sitz in Bern gegründet. Es beschäftigte zuletzt 26 Mitarbeitende und verfügte über ein Jahresbudget von 8 Millionen Franken. Das 76 Jahre alte Heks hat seinen Hauptsitz in Zürich und beschäftigt 350 Festangestellte, hinzu kommen rund 600 Mitarbeitende auf Projektbasis sowie Freiwillige. Sein Jahresbudget liegt bei 85 Millionen Franken. Durch die Fusion wird mit Einsparungen von rund 2,5 Millionen Franken gerechnet. Der Hauptsitz des fusionierten Werks liegt in Zürich. Sechs regionale Geschäftsstellen bleiben erhalten. 

Wird also hier der kleine Partner vom grossen geschluckt? «Keineswegs», meint Stiftungsratspräsident Walter Schmid. Vielmehr fänden zwei gut etablierte Hilfswerke zusammen, die sich in ihrer Ausrichtung und ihren Projekten optimal ergänzten. «Das Bfa mit seinen entwicklungspolitisch breit abgestützten Kampagnen und der guten Verankerung in den Gemeinden ist ein wertvoller Partner.»

Die Konzentration der Kräfte habe sich aufgedrängt, sagt Schmid. «Für Spenderinnen und Spender und für die Kirchen war es längst nicht mehr nachvollziehbar, warum es in der Schweiz zwei kirchliche Hilfswerke gibt.» Zwar werde der Teil der Bevölkerung, der den Bezug zur Kirche pflege, immer kleiner, stellt Schmid fest. Umso wichtiger sei es aber, sich als eine relevante kirchliche Stimme in der Gesellschaft zu positionieren. «Damit wird deutlich, was wir sind: der diakonische Arm der Landeskirchen.»

Für Spendende und für die Kirchen war längst nicht mehr nachvollziehbar, warum es in der Schweiz zwei kirchliche Hilfswerke gibt.
Walter Schmid, Stiftungsratspräsident Heks

Doch die Verschmelzung der beiden Betriebe lässt sich nicht ohne Nebengeräusche vollziehen. So ist das Volumen von zehn Vollzeitstellen eingespart worden. Auch treffen zwei sehr unterschiedliche Betriebskulturen aufeinander. Viele Mitarbeitende des Bfa befürchten, dass von der flachen Hierarchie und den flexiblen Organisationsstrukturen ihres kleineren Werkes wenig übrig bleiben wird.

Ökumene bleibt wichtig

Jeanne Pestalozzi, die neue Vizepräsidentin, beruhigt: Es werde zwar organisatorische Änderungen geben, aber die Marke Brot für alle bleibe bestehen. «Der Zweck und die Mandate beider Werke bestimmen die gemeinsame Strategie.»

Die ökumenische Kampagne von Bfa und Fastenaktion (vormals Fastenopfer) geht weiter. Die enge Zusammenarbeit an der Basis der reformierten und der katholischen Kirchen sei ein Erfolgsmodell, sagt Pestalozzi. «Es trägt zur religiösen Stabilität in unserem Land bei.»

In einem kompetitiven Umfeld hat das Heks eine Chance, wenn es sich auf seine kirchliche Identität besinnt.
René Holenstein, Historiker

Auch das neue Heks bleibt im internationalen Vergleich ein kleiner, aber dennoch wichtiger Akteur. Die Spendenbereitschaft in der Schweiz ist weiterhin hoch. Trotzdem rechnet das Werk in den nächsten Jahren mit einem Spendenrückgang. Denn wer bisher beiden Hilfswerken regelmässig Geld zukommen liess, könnte nur noch einen Betrag und damit weniger spenden.

Starke kirchliche Identität

Der Kampf um Spendengelder ist ohnehin härter geworden. Die Schweizer Hilfswerke spüren den Konkurrenzdruck aus dem Ausland und die wachsende Zahl der Hilfswerke im Inland. Diese Tendenz beobachtet der Historiker René Holenstein, der die Fusion befürwortet. «Ein Hilfswerk braucht eine gewisse Grösse, damit die Mittelbeschaffung und die Zusammenarbeit mit den Partnern vor Ort professionell gemacht werden können», erklärt der Entwicklungsexperte. Im Gegensatz zu kleineren Privatinitiativen könne eine Organisation ihre Ressourcen effizienter einsetzen. «In einem kompetitiven Umfeld hat das Heks eine Chance, wenn es sich auf seine kirchliche Identität besinnt», so Holenstein. Diese Identität stehe für «eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe und den solidarischen Einsatz» für benachteiligte Menschen.

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