Warum wollen Sie Kirchenpflegepräsident der Stadt Zürich werden?
Res Peter: Die reformierte Kirchgemeinde Zürich ist seit dem 1. Januar die grösste Kirchgemeinde Europas. Das schafft nun neue und ungeahnte Möglichkeiten für die Kirche, die vorher kaum denkbar gewesen sind. Gerne stelle ich nun meine Talente und mein Engagement als Präsident dieser faszinierenden, vielfältigen Gemeinde zur Verfügung.
Wie ist die Kirchgemeinde zurzeit unterwegs, stimmen die Strukturen mit den zehn Kirchenkreisen?
Sie ist unterwegs! Endlich nun in demokratisch legitimierten Strukturen. Natürlich chroset es noch immer da und dort. Gewiss hat der Reformprozess auch oftmals Frustration und Verletzungen hinterlassen. Es ist jetzt nicht an der Zeit, diese Strukturen in Frage zu stellen. Vielmehr ist nun der Moment gekommen, mit diesen Strukturen in die Zukunft zu gehen. Ich kann die Kritiker verstehen, die befürchten, dass es nun zehn Unter-Kirchgemeinden geben könnte. Ich werde aber mit allen Mitteln darauf hinarbeiten, dass umgesetzt wird, was das Stimmvolk wollte: eine neue, moderne, urbane Kirchgemeinde Zürich, in der nun vieles endlich möglich wird.
Die Fusion wollte die Kirchen am Ort entlasten und Aufbrüche ermöglichen. Wurde das Versprechen eingelöst?
Vieles ist schon besser und effizienter geworden. So werden laufend Prozesse harmonisiert und verschlankt. Ein Beispiel: Bei uns im Kirchenkreis 7 + 8 sind es nicht mehr vier Mitarbeitende in vier Sekretariaten, welche die Gottesdienstankündigungen für die Medien machen, sondern es ist eine einzige Person. Und siehe da: Nach kurzen Anlaufschwierigkeiten klappt das schon ganz gut. Auch sitzen nun die Sekretariatspersonen am selben Ort. Das ermöglicht fachlichen und persönlichen Austausch. Aufbrüche brauchen Zeit. Seien wir geduldig! Ich bin optimistisch.
Sie sind ordinierter Pfarrer und wollen an die Spitze der Exekutive der grössten Kirchgemeinde Europas. Bekommt der kantonale Kirchenratspräsident jetzt Konkurrenz aus der Stadt?
Es wird eine «Konkurrenz» werden, so oder so, wer auch immer die Wahl am 17. November gewinnen wird. Die Ausstrahlung der Kirchgemeinde Zürich ist jetzt noch weit unterschätzt. Ich will, dass sie als ernstzunehmender, kooperativer, innovativer und verlässlicher Gesprächspartner der Stadt Zürich und der Landeskirche wahrgenommen wird.
Würden Sie als Kirchenpflegepräsident weiterhin als Pfarrer auftreten oder den Talar ganz zur Seite legen?
Ich würde mein Pfarramt aufgeben. Übrigens: Als liberaler Pfarrer habe ich zehn Jahre lang überhaupt keinen Talar getragen. Hier im Neumünster tue ich es nur auf ausdrücklichen, wenn auch mit Humor geäusserten Wunsch der Gemeinde. Ob ich in Zukunft irgendwo in den Bergen noch eine Trauung oder eine Hochzeit in Frankreich halten werde, lasse ich mal offen. Hier, in der Kirchgemeinde Zürich, werde ich ganz exakt die Rolle spielen, welche auch heute schon von der Kirchenordnung dem Präsidenten zugewiesen ist: Repräsentation nach aussen, behördliche Leitung nach innen.
Der Kirchenpflegepräsident von Zürich ist der einzige kirchliche Repräsentant in der ganzen Schweiz, der durch eine Volkswahl von rund 80'000 Mitgliedern legitimiert ist. Was bedeutet das für das Amt?
Das ist für mich ein Geschenk im Reformationsjahr und im echten Sinn historisch. Wer auch immer die Wahl gewinnen wird, es bedeutet: Diese Person, diesen Führungsstil und dieses Programm wollen wir! Jeder dritte Zürcher, jede dritte Zürcherin, kann hier mitmachen. Und dann haben wir einen besonderen Schatz: Auch Mitglieder mit einem fremden Pass können abstimmen. Zudem auch junge Erwachsene ab dem 16. Lebensjahr! Das ist kaum bekannt. Mit meiner Kandidatur möchte ich als Jugendpfarrer rufen: Mached mit! Bestimmt mit! Ihr könnt einen Unterschied machen!
Soll sich die Kirchgemeinde Zürich vermehrt zu Wort melden, wenn kommunale, kantonale oder eidgenössische Abstimmungen anstehen? Als Pfarrer haben Sie sich politisch wiederholt exponiert.
Im Prinzip sehe ich keine Grenze. Die Welt ist Gottes Schöpfung. Es geht darum, wie wir zusammenleben wollen und wohin die gemeinsame Reise gehen soll. Hier ist die Form ganz wichtig: Falls ein Anliegen da ist, wird das im Kollegium der Kirchenpflege diskutiert, vielleicht und gern auch heftig. Wir werden abwägen, ob eine Stellungnahme politisch opportun ist. An diesem Entscheid bin auch ich nur mit einer Stimme beteiligt. Dieser wird dann umgesetzt. Das gilt übrigens für alle anderen Fragen auch.
Wo soll die Kirchgemeinde Zürich in vier Jahren stehen?
An einem Punkt, an dem Menschen wissen, warum sie sich in der Kirche mit viel Engagement einsetzen. In vier Jahren werden die Reformierten der Stadt Zürich wieder Bilanz ziehen und den Kurs ein weiteres Mal demokratisch bestimmen.