Die Frage musste ja kommen. Das weiss auch Annelies Hegnauer. Vor zwei Jahren war sie angetreten, um nach der Gründung der fusionierten Kirchgemeinde Zürich «das System zu stabilisieren». Sie sei die Präsidentin für den Übergang, sagte sie damals im Interview mit «reformiert.». 2022 trete sie nicht mehr an.
Wahlkampf für ein Sextett und ein Solo
Im Frühling wählen die Mitglieder der Kirchgemeinde Zürich erneut Exekutive und Parlament. Nach zwei Jahren sind Wahlen nötig, damit der Legislatur-Rhythmus wieder stimmt.
Unterschiede unterschätzt
Nun will es Hegnauer doch noch einmal wissen und kandidiert am 3. April 2022 wiederum fürs Präsidium der Kirchenpflege. Die Pandemie habe den Prozess, aus 32 Kirchgemeinden eine Kirchgemeinde zu formen, verzögert, beantwortet die 67-Jährige die obligate Frage.
«Vielleicht unterschätzte ich die Unterschiede zwischen den in den einstigen Kirchgemeinden gewachsenen Betriebskulturen», sagt Hegnauer. Jedenfalls sieht sie die Organisation weiterhin in der Phase, in der Zeit und Ressourcen in die Etablierung effizienter Abläufe und die faire Verteilung der Mittel investiert werden müssen. «Dazu ist ein partizipativer Prozess nötig, der Zeit braucht, aber nachhaltig wirkt.»
Kein Angriff auf das Präsidium
Neben Hegnauer treten mit Barbara Becker, Michael Braunschweig, Claudia Bretscher, Duncan Guggenbühl, Michael Hauser und Res Peter alle Bisherigen wieder an. Im November 2019 war es nach der Fusion ausserhalb der Legislatur zum Dreikampf ums Präsidium gekommen. Nach dem ersten Wahlkampf zog sich Braunschweig zurück, Peter unterlag im Duell mit Hegnauer im Februar 2020 knapp.
Der Pfarrer, der nach der Wahl in die Kirchenpflege vom Zürcher Neumünster nach Baden wechselte, verzichtet auf eine Kandidatur als Präsident. Die knapp zwei Jahre reichten nicht, um schon wieder einen Wechsel anzustreben. «Wir arbeiten im Team sehr gut zusammen, ohne ein Kuschelgremium zu sein», bilanziert Peter. In den Wahlkampf steigt er diesmal gemeinsam mit Hegnauer, Becker, Bretscher Braunschweig und Hauser.
Junges Ticket möglich
Nur Guggenbühl will nicht auf den Zug der Bisherigen aufspringen. Seinen Alleingang bestätigt er gegenüber «reformiert.» und äussert demokratiepolitische Bedenken. «Als Gremium, das geschlossen antritt, senden wir kein gutes Signal aus.» Der 26-Jährige hofft auf weitere Kandidaturen. «Die Perspektive einer jungen Frau täte der Kirchenpflege gut.» Treten junge Kandidierende an, ist Guggenbühl «offen für ein gemeinsames Ticket».
Ein Misstrauensvotum sei sein Sololauf aber nicht, sagt Guggenbühl. Er unterstütze alle Kandidaturen, auch jene der amtierenden Kolleginnen und Kollegen. Wahltaktik sei ihm fremd. «Ich kandidiere ja nicht für mich, sondern möchte meine Fähigkeiten und Ideen weiterhin in den Dienst der Kirchgemeinde stellen.»
Schulterschluss der Bisherigen
Der Schulterschluss der Bisherigen hat pragmatische Gründe. «Wir haben keine Parteien oder Fraktionen, die uns unterstützen und den Wahlkampf finanzieren», sagt Hegnauer. «Wir haben nur uns.»
Dass ausgerechnet Guggenbühl ausschert, mit dem sie vor zwei Jahren noch einen gemeinsamen Auftritt hatte («Wir schliessen den Spalt zwischen Jung und Alt»), nimmt Hegnauer zur Kenntnis. In der Kirchenpflege sei kein Graben zwischen jüngeren und älteren Mitgliedern zu spüren, betont sie. Und gemessen an anderen Exekutiven, sei das Gremium gut durchmischt.
Bewährungsprobe steht noch aus
Hegnauer würde gern in der jetzigen Konstellation weiterarbeiten. «Wir bekamen in einer halben Legislatur noch gar nicht wirklich die Chance, uns zu bewähren, und die Wählerinnen und Wähler hatten noch nicht die Möglichkeit, unsere Leistung zu beurteilen.»
Volljährige Zürcher Gemeindeglieder können ihre Kandidatur für die Kirchenpflege auf der Website der Kirchgemeinde anmelden. Die Listen für die Parlamentswahlen werden im Januar an Kirchenkreisversammlungen erstellt.