Frau Hegnauer, was würden Sie anders machen als Übergangskirchenpflegepräsident Andreas Hurter, wenn Sie gewählt würden?
Annelies Hegnauer: Ich werde einige Dinge gleich machen, weil Andreas Hurter insbesondere mit Blick auf die Strukturen einen sehr guten Job gemacht hat. Darüber hinaus werde ich mich stärker auf die Inhalte konzentrieren. Das neu gegründete Perspektivenbüro trägt zusammen, was in den Kirchenkreisen bereits vorhanden ist. Auf dieser Basis bilden wir Schwerpunkte und entscheiden, welche Leuchttürme für die ganze Stadt wichtig werden.
Was würden Sie anders machen als Annelies Hegnauer, Herr Peter?
Res Peter: Die Zeiten der Hafenrundfahrt und der Strukturdiskussion sind vorbei. Wir sollten aufhören, uns um uns selbst zu drehen, und mit unserem Schiff hinaus fahren. Wohin die Fahrt genau geht, wissen wir noch nicht. Aber die Richtung ist klar: Wir müssen nachhaltig unterwegs sein und zum Beispiel endlich das ökologische Label «Grüner Güggel» etablieren. Und spirituell müssen wir in Bewegung bleiben.
Und was würde der Kirchenpflegepräsident Braunschweig anders machen als Res Peter?
Michael Braunschweig: Zentrale Aufgabe der Kirche ist die Kommunikation des Evangeliums. In unserer hoch differenzierten Gesellschaft kommuniziert die Kirche aber noch immer homogen. Sie orientiert sich zu wenig an den Bedürfnissen der Menschen. Die Kirche muss ihre Fachkompetenz in Kommunikation massiv ausbauen. Das ist auch eine Frage der Personalentwicklung. Darüber hinaus muss die Kirche eine ökologisch, finanziell und sozial nachhaltige Organisation werden.
Wie stabil ist die Kirchgemeinde gebaut, die 2019 gestartet ist?
Peter: Die Strukturen sind installiert, die Inhalte sind auch längst vorhanden, denn sie werden von den Profis an der Basis erarbeitet. Die Kirchenpflege muss nun mutig ihr Schiff auf Kurs bringen. Mein Vorteil ist, dass ich im Gegensatz zu Annelies Hegnauer und Michael Braunschweig kein Insider bin. Ich war als Vizedekan zwar am Reformprozess beteiligt, doch ich bin unbelastet von Strukturdiskussionen.
Hegnauer: Die Strukturen sind nicht gefestigt. Die Zusammenarbeit mit den Kirchenkreisen muss sich zuerst einspielen und das Vertrauen wachsen. Zwei Sitze in der Kirchenpflege sind vakant, wenn sich noch mehr Leute zuerst ins Amt einarbeiten müssen, geht viel Energie verloren. Ohne eine gewisse Kontinuität und Stabilität wird es gefährlich.
Braunschweig: Ich glaube auch, dass die Abläufe noch eingeübt werden müssen. Ich schaue aber nicht nur auf die Kirchenpflege. Das Parlament wird ebenfalls erneuert, in den Kreisen gibt es viele neue Gesichter. Ich bin überzeugt, dass die bestehenden Strukturen diese Aufbruchstimmung, die ich sehr begrüsse, aushalten werden.
Hat die Übergangskirchenpflege bisher einen guten Job gemacht?
Braunschweig: Grundsätzlich schon. In Personalfragen hat sie in ein paar Fällen unglücklich agiert. Das habe ich mit meiner Kritik im Parlament bereits öffentlich gemacht.
Peter: Ich verstehe nicht, warum die Übergangskirchenpflege die wichtigste Stelle in der Verwaltung vor den Wahlen neu besetzt. Das wäre, wie wenn eine Firma den CEO einstellen würde, ohne zu wissen, wer Verwaltungsratspräsident wird.
Die Stelle für die Geschäftsleitung wurde erneut ausgeschrieben, nachdem in der ersten Runde niemand gefunden werden konnte. Warum wurde nicht gewartet, bis die neue Kirchenpflege gewählt ist?
Hegnauer: Wir wollten nicht nochmals viel Zeit verlieren. Darunter leiden würden die Mitarbeitenden. Die Stelle muss so schnell wie möglich besetzt werden. Es ist auch in der Politik üblich, dass Stellen in der Verwaltung unabhängig von Wahlterminen besetzt werden.
Braunschweig: Die Geschäftsleitung muss unabhängig von politischen Wechseln auf strategischer Ebene arbeiten. Wir befinden uns aber in keinem regulären Zyklus, sondern starten neu. Für die Mitarbeitenden auf der Geschäftsstelle ist es wichtig, dass die Stelle bald besetzt wird.
Peter: Übergangslösungen machen kreativ. Es wurde eine riesige Chance verpasst. Der Präsident bringt eine neue Kultur und eine neue Stimmung mit. Es ist entscheidend, dass die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer diesen Kurs mitträgt.
Hegnauer: Wer so redet, gibt zu, dass er als Präsident die operative Führung massiv beeinflussen will.
Welche Stimmung bringen Sie mit in die Kirchgemeinde?
Braunschweig: Das wichtigste Potenzial der Kirche ist die Motivation ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deren Motivation hängt entscheidend ab von einer Kultur der Wertschätzung, der Transparenz. Und es braucht die Gewissheit, dass man sich einbringen kann, wenn man von Entscheiden betroffen ist.
Peter: Ich will einen neuen Geruch in diese Kirchgemeinde bringen. Es riecht nach Wohlwollen, Aufbruch, nach Sinn. Und es riecht nach Zutrauen: Die Profis in der Kirche können viel mehr, als wir meinen.
Hegnauer: Ein Gschmäckle will ich eigentlich lieber nicht. Wichtig innerhalb der Kirchenpflege ist mir der Teamgeist. Und bevor entschieden wird, müssen alle Anspruchsgruppen, die etwas zu sagen haben, angehört werden. Als ausgebildete Kommunikationsfachfrau liegt mir die Kommunikation besonders am Herzen.
Am 17. November werden das Parlament und die Kirchenpflege der Kirchgemeinde Zürich erstmals vom Volk gewählt. Neben Annelies Hegnauer, Res Peter und Michael Braunschweig, die auch für das Präsidium kandidieren, bewerben sich Barbara Becker, Anke Beining-Wellhausen, Claudia Bretscher, Duncan Guggenbühl, Michael Hauser und Henrich Kisker für die sieben Sitze in der Kirchenpflege. Peter hat bereits angekündigt, dass er das Amt ablehnen und Pfarrer bleiben wird, wenn er nicht als Präsident gewählt wird. Wahlberechtigt sind alle Mitglieder der reformierten Kirche in der Stadt Zürich ab 16 Jahren.