Die Beschwerde, die gegen den zurückgetretenen EKS-Präsidenten Gottfried Locher wegen Grenzverletzungen eingereicht wurde, dominierte die Synode vom 15. Juni in Bern. Und zuerst vor allem die Frage, ob die Synode das heikle Geschäft öffentlich diskutieren soll. 47 Synodale folgten dem Antrag der Geschäftsprüfungskommission (GPK) auf eine Debatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit, 26 stimmten dagegen. Damit scheiterte die GPK, weil sie eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt hätte.
Krisenbewältigung im Kirchenparlament
Der Rat der EKS hatte versprochen, der Synode zu erklären, wie er mit der Beschwerde gegen Gottfried Locher umgegangen ist. Er löste sein Versprechen ein und bleibt in der Kritik.
Ulrich Knoepfel macht in der Synode aus Gerüchten Fakten. (Foto: Ephraim Bieri)

Die neuen Fakten
Esther Gaillard, Vizepräsidentin der EKS, sprach von einer Diskussion in «elektrisierter Atmosphäre», die jedoch der Wahrheitsfindung dienen müsse. Der Rat präsentierte eine Chronologie der Ereignisse und legte offen, wie er mit der Beschwerde gegen Gottfried Locher umgegangen ist. Eine ehemalige Mitarbeiterin wirft dem zurückgetretenen Präsidenten Grenzverletzungen vor. Und immer wieder wurden vom Rat «neue Fakten» erwähnt, welche die Untersuchung verkompliziert habe.
In einer persönlichen Erklärung legte Ratsmitglied Ueli Knoepfel diese Fakten dann doch noch offen. Er erklärte in persönlichen Worten seine Beweggründe, warum er die Kollegin Brändlin und Präsident Locher zum Rücktritt aufgefordert hatte: wegen der privaten Liaison der beiden, die bereits bei der Wiederwahl ins Gremium 2018 bestanden habe. Der Rat habe erst Anfang 2020 von der einstigen Liaison erfahren.
«Eine Vermischung von privater Beziehung und Engagement im Rat können wir nicht hinnehmen», sagte Knoepfel. Zudem müsse auch davon ausgegangen werden, dass die Synode im Wissen um die Beziehung anders gewählt hätte 2018. Damals hatten sich sowohl Locher als auch Brändlin zur Wiederwahl gestellt. Knöpfel gab auch zu, dass er und seine Kolleginnen und Kollegen im Rat tatsächlich zeitweise von den eskalierenden Ereignissen überfordert gewesen sei.
«Gravierende Vorwürfe»
Der Aargauer Kirchenpräsident Christoph Weber-Berg zeigte zwar Verständnis, dass der Rat an seine Grenzen stiess und attestierte ihm den Willen, die Beschwerde unabhängig untersuchen zu wollen. Dennoch habe der Rat unter juristischem Druck die Handlungsfähigkeit eingebüsst. «Indem er dem Präsidenten zuerst zugestanden hat, eine einvernehmliche Lösung mit der Beschwerdeführerin zu suchen, statt ihn sofort zu suspendieren, hat er den Eindruck des Verschleppens erweckt.» Abgesehen davon rieten alle Fachstellen von einer Konfrontation der direkt Involvierten ab.
Ausserdem betonte Weber-Berg, dass es bei den Vorwürfen gegen Locher «nicht um Bagatellen» gehe. Die Beschuldigungen seien gravierend, der zurückgetretene Präsident habe sein Amt «systematisch missbraucht und Grenzen verletzt».
Vertrauensbasis laut Rat intakt
Der Bericht der GPK legt auch Mängel in der Ratsarbeit offen. So sei das «Zusammenwirken zwischen Rat und Geschäftsstelle belastet». Die Geschäftsleiterin habe im Verdacht gestanden, der verlängerte Arm des Präsidenten zu sein.
Dieser Wahrnehmung widersprach Knöpfl im Namen des Rates. Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle sei gut, die Vertrauensbasis innerhalb des Rates intakt. Die Geschäftsleiterin habe lediglich darauf geachtet, dass die Verfahrensregeln eingehalten und allen Beteiligten Gehör geschenkt werde.
Untersuchung ist aufgegleist
Der Rat hat für die Unterschung der Beschwerde bereits das Anwaltsbüro Rudin Cantieni beauftragt. Ausgeleuchtet werden soll auch die Arbeit des Rates. Ihre Ergebnisse unterbreitet die externe Stelle der Nichtständigen Untersuchungskommission, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Synodalen. Ein Antrag des Synodebüros wurde entsprechend abgeändert.