Recherche 28. Mai 2020, von Cornelia Krause, Felix Reich

Untersuchung geht trotz Rücktritt weiter

Kirche

Erleichterung und Traurigkeit sind die Reaktionen auf den Rücktritt von Gottfried Locher als EKS-Präsident. Der Rat will den Vorfall, der zum Eklat führte, weiterhin untersuchen.

Esther Gaillard ist vor allem erleichert. Natürlich sei ein Abschied nie einfach, «aber nun können wir ein neues Kapitel aufschlagen», sagt die Vizepräsidentin des Rats der Evangelischen Kirche Schweiz (EKS). Am Abend des 28. Mai hatte die EKS mitgeteilt, dass Gottfried Locher per sofort als Präsident zurücktritt. Er sah seine «Gestaltungskraft als Präsident» eingeschränkt.

Grund für den Rückzug ist ein Geschäft, das der Rat am 17. April behandelt hatte. Neben Sabine Brändlin, die dann am 24. April «wegen unüberbrückbarer Differenzen» zurückgetreten war, musste auch Locher in den Ausstand treten. Laut Gaillard hat der Rat eine «spezialisierte Anwaltskanzlei» mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragt, der Locher zur Last gelegt wird. «Wir haben Schutzkonzepte gegen Übergriffe und Grenzverletzungen, die wir umsetzen müssen – unabhängig von der Person», betont Gaillard. Für sie ist die Untersuchung mit dem Rücktritt deshalb auch nicht abgeschlossen. «Der Rat will Klarheit.»

Viel Porzellan zerschlagen

Ähnlich sieht es Andreas Zeller, der als Synodalratspräsident der Kirche Bern-Jura-Solothurn zusammen mit Aargau, Waadt und Zürich eine kritische Interpellation eingereicht hat, die an der Synode vom 15. Juni Informationen zum Geschäft verlangt, das zum Bruch führte. «Das Schutzkonzept der EKS sieht Nulltoleranz vor, das muss auch für Ratsmitglieder gelten.» Mit dem Amt des Präsidenten seien Grenzverletzungen nicht vereinbar, «wenngleich die Unschuldsvermutung gilt», sagt Zeller.

Für den Zürcher Kirchenratspräsidenten Michel Müller bietet der Rücktritt die Chance, «die Zukunft der EKS noch einmal neu anzugehen». Allerdings erfolge er eher zu spät, «weil nun schon viel Porzellan zerschlagen und mediale Aufmerksamkeit erregt» wurde. Die Vorgänge aufzuarbeiten, dürfte laut Müller nun einfacher werden, weil Gottfried Locher «nicht mehr Teil des Systems» sei.

Einfach nur traurig

Mit «Traurigkeit» reagiert Emmanuel Fuchs auf den Rücktritt. Der Präsident der reformierten Kirche in Genf sagt: «Es ist nie gut, Personen, die der Kirche sehr gedient haben, zurücktreten zu sehen unter Umständen, die persönlich schwierig sind.» Für die zurückhaltende Kommunikation des Rats hat Fuchs Verständnis. Den Persönlichkeitsschutz gelte es zu respektieren.

Das Gefühl der Betroffenheit teilt der Berner Synodalratspräsident Andreas Zeller mit seinem Genfer Kollegen, wenn auch aus anderen Gründen: «Es ist jammerschade, dass auf oberster Ebene so etwas passiert, während in Gemeinden, Pfarrämtern und auch auf Stufe der Landeskirchen sehr gute Arbeit geleistet wird.»

Charaktertest für Kandidierende

Der Rat wird nun vom Vizepräsidium, das aus Esther Gaillard und Daniel Reuter besteht, geleitet. Wann die Synode neue Ratsmitglieder wählt, ist offen. Für den Zürcher Kirchenratspräsidenten Michel Müller ist ein «sauberes Auswahlverfahren» entscheidend, bei dem die betreffende Person genau angeschaut werde. «Das wurde bei der letzten Wahl versäumt.»

Auch sein Berner Amtskollege Zeller blickt noch nicht zu weit voraus. Nun gelte es abzuwarten, wie der Rat am 15. Juni in der Synode die Interpellation beantworte. «Je nach dem überlegen wir uns weitere Schritte.» Denkbar sei ja, dass es zu weiteren Rücktritten komme. «Dann bräuchte es einen Übergangsrat», sagt Zeller.

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