Und plötzlich ging es schnell. Die Zürcher Delegation in der Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) stellte in der Sitzung vom 6. September den Antrag, den Untersuchungsbericht zur Beschwerde gegen den zurückgetretenen Präsidenten Gottfried Locher zur Kenntnis zu nehmen und die von der Untersuchungskommission aufgestellten Forderungen als Postulat dem Rat zu überweisen. Eine deutliche Mehrheit stimmte dem Vorschlag zu. Damit vertagte die Synode die Verabschiedung konkreter Massnahmen. «Sorgfalt vor Eile», begründete Liliane Bachmann (Luzern) das Vorgehen.
Nun muss der Rat einen Aktionsplan vorlegen
Die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) nimmt den Untersuchungsbericht zur Affäre Locher zur Kenntnis, vertagt jedoch konkrete Massnahmen zur Prävention.
Ein Stück Vergangenheitsbewältigung: EKS-Synode in Bern. (Foto: eks/flickr)

Aufruf zur Selbstkritik
Die Vorgänge rund um den Rücktritt von Gottfried Locher im Mai 2020 hatten die EKS arg durchgeschüttelt. Eine ehemalige Mitarbeiterin hatte eine Beschwerde eingereicht, in der sie Locher Grenzverletzungen vorwarf. Die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe sowie die Behandlung der Beschwerde durch den Rat wurden von einem externen Anwaltsbüro untersucht. Eine von der Synode eingesetzte Untersuchungskommission erarbeitete aufgrund des vertraulichen Berichts eine eigene Stellungnahme, über die am 6. September in Bern nun beraten wurde.
Eine mutige Frau habe ein System, das sich bereits zuvor in Schieflage befunden habe, zum Einsturz gebracht, sagte Miriam Neubert (Graubünden). Sie rief die Synodalen zur ehrlichen Selbstkritik auf. «Wir haben nicht genau genug hingeschaut.»
Rat entlastet
Der Rat habe den Untersuchungsbericht «mit grosser Betroffenheit» zur Kenntnis genommen, sagte EKS-Präsidentin Rita Famos, die Anfang Jahr die Nachfolge Lochers mit Verzögerung angetreten hatte. Die Ratsmitglieder, die bereits während der Krise im Amt waren, seien sich bewusst, dass sie vieles hätten besser machen können.
Barbara Locher klagt an und verteidigt ihren Mann
In einem Brief an die Synodalen, der «reformiert.» vorliegt, kritisiert Barbara Locher das Vorgehen der EKS scharf. Gegen ihren Mann werde ein Schauprozess inszeniert: «Ausgerechnet die Reformierten veranstalten eine Inquisition wie im Mittelalter». Gottfried Locher sei unbescholten, «er hat sich nichts zuschulden kommen lassen». Weil er sie mit seiner Ausstrahlung in Gesellschaft, Politik und Ökumene überragt habe, sei Locher von «mediokren Kirchenoberen» gestürzt worden, schreibt die Ehefrau des früheren EKS-Präsidenten.
An der Synode war der Brief offiziell kein Thema. Synodepräsidentin Evelyn Borer betonte lediglich, dass die EKS kein Urteil gefällt, sondern lediglich den Umgang mit der Beschwerde gegen Locher sowie die Vorgänge rund um seinen Rücktritt untersucht habe.
Famos betonte aber auch, dass die Untersuchung dem Rat keine Fehlleistungen anlastet. Tatsächlich gesteht der Bericht dem Rat zu, immer die Reputation der Institution Kirche und den Schutz von Persönlichkeitsrechten im Blick gehabt zu haben.
GPK stört die Harmonie
Die Synode debattierte den Untersuchungsbericht inhaltlich nicht, sondern nahm ihn zur Kenntnis. Stellvertretend für viele dankte Lukas Kundert (Basel Stadt) der Untersuchungskommission: «Ich habe höchsten Respekt vor ihrer Arbeit.»
Für Unmut sorgten lediglich die Passagen, in denen die Arbeit der Geschäftsprüfungskommission (GPK) beurteilt wird. So behauptet der Untersuchungsbericht, die GPK habe mit Sabine Brändlin, die noch vor Locher aus dem Rat zurückgetreten und die Beschwerde gemeinsam mit Esther Gaillard behandelt hatte, keine Gespräche geführt. Das sei nachweislich falsch, betonte die GPK. Die Gespräche seien sogar protokolliert.
Mitarbeitende besser schützen
Konkrete Massnahmen zum besseren Schutz der Mitarbeitenden in der EKS sowie die Verbesserung von Kontrolle und Transparenz des Betriebs beschliesst die Synode aufgrund des Aktionsplans, den ihr der Rat nun vorlegen muss. Veränderungen, die in die Kompetenz des Parlaments fallen, wird das Synodebüro erarbeiten müssen.
Sabine Brändlin will Entschädigung und hat schlechte Chancen
Wenige Tage vor Gottfried Locher sah sich Ratsmitglied Sabine Brändlin im Mai 2020 zum Rücktritt gezwungen. Sie hatte die Beschwerde gegen Locher bearbeitet, obwohl sie zuvor eine Beziehung mit ihm eingegangen war. Nun hat sie dem Rat offensichtlich eine finanzielle Forderung in unbekannter Höhe zukommen lassen. EKS-Präsidentin Rita Famos deutete an, dass Brändlin denkbar schlechte Chancen hat. Schliesslich war sie als Ratsmitglied korrekt entschädigt worden. «Die Reglemente sind klar», sagte Famos vor der Synode. Der Jurist der EKS wird die Ansprüche noch prüfen.
Locher hatte eine Abgangsentschädigung erhalten. Er hatte über einen Arbeitsvertrag verfügt, der aufgelöst werden musste. Die Beschwerdeführerin hat der EKS eine Schadenersatzforderung über 145'000 Franken übermittelt. Der Rat lässt die Ansprüche von einer externen Anwaltskanzlei prüfen.
Die Erleichterung, die Krisenbewältigung in durch institutionelle Abläufe gesicherte Bahnen gelenkt zu haben, war am Ende der Synode spürbar. Die Synodenpräsidentin Evelyn Borer, welche die Sitzung umsichtig und souverän geleitet hatte, sagte, die EKS habe nun ein Stück Vergangenheit hinter sich gelassen und könne «engagiert in die Zukunft schauen». Für ihr Schlusswort erntete sie spontanen Applaus.