Transparenz sei zentral beim Vorgehen zur Klärung der Vorwürfe, sagt Iten. «Eine Organisation muss ab der ersten Stunde nach Eingang einer Beschwerde gewährleisten, dass unabhängige, unbefangene, professionelle Schritte erfolgen.»
Auch ohne strafrechtlich relevant zu sein, sei eine sexualisierte Grenzverletzung stets beschämend und untragbar. «Besonders, wenn sie in einem Machtgefälle passiert.» Übertretungen seien meist systemisch verwurzelt, weshalb es in der Prävention wichtig sei, «Mechanismen von Macht und Manipulation in einer Organisation zu kennen».
In jeder formellen Machtposition gebe es Manipulationspotenziale, sagt Karin Iten, die ab August Präventionsbeauftragte im Bistum Chur wird. «Im kirchlichen Kontext kommt eine diffuse Macht aufgrund von Status, Geschlecht und Spiritualität hinzu, was in der Kombination toxisch wirkt.» Es brauche in jeder Kirche von Personen in einer Machtposition «viel Ehrlichkeit, sich der Machtreflexion zu stellen und die eigene Rolle bescheidener auszugestalten». Die EKS hat in den letzten Jahren auf Initiative von Sabine Brändlin, die am 24. April aus dem Rat zurückgetreten ist, Empfehlungen zur Prävention sexueller Übergriffe und zu Grenzverletzungen erarbeitet, gemeinsam mit der Fachstelle Limita.
Im Herbst 2019 hat die EKS die Unterlagen publiziert. Dort steht: «Grenzverletzungen und sexuelle Übergriffe sind mit der reformierten theologischen Grundhaltung der Achtsamkeit unvereinbar.» Die Dokumente richten sich vor allem an kleinere Kantonalkirchen, die noch keine Schutzkonzepte haben. Grössere wie die Zürcher Landeskirche verfügen schon über solche.