Recherche 04. August 2021, von Katharina Kilchenmann

«Psychisch, sexuell und spirituell missbraucht»

Der Fall Locher

Was hat es mit den Anschuldigungen gegen Gottfried Locher auf sich? Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) hat die Ergebnisse der Untersuchungskommission präsentiert.

Das Interesse der Medien war gross, als die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) die Ergebnisse der Untersuchungskommission zur «Causa Locher» präsentierte. Im April 2019 war der damalige EKS-Präsident Gottfried Locher nach Vorwürfen von sexuellen Grenzverletzungen zurückgetreten.

Der Bericht des renommierten Anwaltsbüros Rudin Cantieni hat nun die Beschwerde einer Mitarbeiterin überprüft und ist zum Schluss gekommen, Locher hat mutmasslich die ihm unterstellte Frau «in ihrer psychischen, sexuellen und spirituellen Integrität verletzt».

Vorwürfe sind glaubwürdig

Die Vorwürfe der Beschwerdeführerin über die Vorkommnisse, die gute zehn Jahre zurückliegen, seien «glaubwürdig», hiess es an der Medienkonferenz. Nach Ansicht der Untersuchungskommission hat der damalige EKS-Präsident «nicht rechtschaffen gehandelt», wie sie in ihrem Bericht festhält. Er habe wiederholt Berufliches und Privates vermischt, und die ehemalige Angestellte sei damit den «unerwünschten Avancen» ihres Vorgesetzten ausgesetzt gewesen.

Es ist unsere Pflicht, die persönliche Integrität unserer Repräsentanten, Mitarbeiter und Kirchenmitglieder zu schützen.
Rita Famos, Präsidentin der EKS

Auch die EKS wird im Bericht kritisiert: Sie habe ihre Mitarbeiterin in jenem Zeitraum zu wenig geschützt. Die neue Präsidentin Rita Famos entschuldigte sich beim Opfer «für das entstandene Leid und den langen Weg, den es brauchte, sich Gehör zu verschaffen». Und sie betonte, es sei die richtige Entscheidung, die Beschwerde sorgfältig und professionell aufzuarbeiten und die notwendigen Schlüsse draus zu ziehen. «Es ist unsere Pflicht, die persönliche Integrität unserer Repräsentanten, Mitarbeiter und Kirchenmitglieder zu schützen.»

Aufarbeitung geht ins Geld

Knapp 400'000 Franken kostet die Aufarbeitung des Falls Locher. Es handelt sich um Auslagen für Anwälte, Kommunikation und die Arbeit der Untersuchungskommission. Über die Abgangsentschädigung für den abtretenden Präsidenten wurde Stillschweigen vereinbart. Ob die von der Klägerin geforderte Entschädigung von 144’000 Franken entrichtet wird, entscheidet das Kirchenparlament diesen September.

Locher hat sich bei der Aufarbeitung nicht kooperativ gezeigt und jegliche Zusammenarbeit verweigert.
Marie-Claude Ischer, Präsidentin der Untersuchungskommission EKS

Gottfried Locher selber hat sich zu den Vorwürfen bisher nicht geäussert. Die Anwaltskanzlei habe vergeblich versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen, hiess es an der Medienkonferenz. Er habe sich bei der Aufarbeitung nicht kooperativ gezeigt und jegliche Zusammenarbeit verweigert.

Sabine Brändlin wird nichts vorgeworfen

Nicht betroffen von der Untersuchung ist das einstige EKS-Ratsmitglied Sabine Brändlin. Sie erfuhr in ihrer Funktion als Zuständige für das Thema Grenzverletzungen als eine der ersten von der Beschwerde der Mitarbeiterin. Brändlin selbst hatte in der Vergangenheit eine Beziehung mit Locher. Dies teilte sie dem Krisenstab mit, trat in den Ausstand und gab bald darauf ihren Rücktritt aus dem Rat bekannt.

Mehr zu diesem Thema

Synode nimmt Untersuchungsbericht zur Kenntnis und spielt den Ball dem Rat zu
06. September 2021, von Felix Reich

Synode nimmt Untersuchungsbericht zur Kenntnis und spielt den Ball dem Rat zu

EKS zur Kritik von Weltwoche und Nebelspalter: «Kein Urteil, kein Gericht, keine Schuldigen»
24. August 2021, von Marius Schären

EKS zur Kritik von Weltwoche und Nebelspalter: «Kein Urteil, kein Gericht, keine Schuldigen»

Die Evangelische Kirche Schweiz teilt mit, dass sich die Untersuchung im Fall Locher verzögert.
03. Februar 2021, von Nicola Mohler

Die Evangelische Kirche Schweiz teilt mit, dass sich die Untersuchung im Fall Locher verzögert.

Die Krise aufarbeiten und den Blick nach vorne richten
23. September 2020, von Felix Reich

Die Krise aufarbeiten und den Blick nach vorne richten

Synode holt Frauenkonferenz in die Untersuchungskommission
14. September 2020, von Felix Reich

Synode holt Frauenkonferenz in die Untersuchungskommission

Pfarrerin Rita Famos will Präsidentin der EKS werden
04. September 2020, von Felix Reich

Pfarrerin Rita Famos will Präsidentin der EKS werden

Erste Synode der EKS findet unter erschwerten Bedingungen statt
15. Juni 2020, von Katharina Kilchenmann, Felix Reich

Erste Synode der EKS findet unter erschwerten Bedingungen statt

Die EKS-Synodalen erhalten den GPK-Bericht nicht vorgängig – der Rat hingegen schon
12. Juni 2020, von Marius Schären

Die EKS-Synodalen erhalten den GPK-Bericht nicht vorgängig – der Rat hingegen schon

«Probleme gibt es überall, auch in der Kirche. Entscheidend ist, wie man darauf reagiert.»
12. Juni 2020, von Katharina Kilchenmann

«Probleme gibt es überall, auch in der Kirche. Entscheidend ist, wie man darauf reagiert.»

Gefahren der diffusen Macht in der Kirche
11. Juni 2020, von Sabine Schüpbach Ziegler

Gefahren der diffusen Macht in der Kirche

EKS-Vizepräsidentin Esther Gaillard über juristische Drohkulissen und die letzte Grenzüberschreitung
10. Juni 2020, von Felix Reich

EKS-Vizepräsidentin Esther Gaillard über juristische Drohkulissen und die letzte Grenzüberschreitung

Was zum Eklat führte, interessiert auch nach dem Rücktritt
28. Mai 2020, von Cornelia Krause, Felix Reich

Was zum Eklat führte, interessiert auch nach dem Rücktritt

Theologinnen und Theologen verlangen die Aufklärung des Eklats im Rat der EKS
19. Mai 2020

Theologinnen und Theologen verlangen die Aufklärung des Eklats im Rat der EKS

Eine Kommmission soll den Rücktritt von Sabine Brändlin untersuchen
13. Mai 2020, von Felix Reich

Eine Kommmission soll den Rücktritt von Sabine Brändlin untersuchen

Interpellation verlangt Transparenz rund um den Rücktritt von Sabine Brändlin aus dem Rat der EKS
08. Mai 2020, von Sabine Schüpbach Ziegler

Interpellation verlangt Transparenz rund um den Rücktritt von Sabine Brändlin aus dem Rat der EKS