Recherche 09. November 2023, von Christian Kaiser

«Kirche ist Heimat für mich»

Kirchenrat

Er sei jetzt gut eingearbeitet, sagt Bruno Kleeb. In seiner zweiten Amtszeit will er sein Know-how im Ressort «Bildung und Theologie» einbringen und an den Grundauftrag erinnern.

Bruno Kleeb, Sie kandidieren nun für eine zweite Legislatur. Warum soll man Sie wählen?

Ich bin beheimatet in der Kirche, mit 16 habe ich mich entschieden, mich in der Kirche zu engagieren. Ich habe dabei verschiedene Stationen der Mitarbeit durchlaufen: Kirchenpflege, Synode, GPK, GPK-Präsidium, jetzt im Kirchenrat.

Da sind Sie während der Legislatur nachgerutscht, das Amt haben Sie jetzt seit zweieinhalb Jahren. Warum möchten Sie bleiben?

Ich bin jetzt gut eingearbeitet und möchte mich weiter für die Kirche einsetzen. Es war mir wichtig Mitarbeitende und Projekte auf allen Ebenen, auch den Kirchgemeinden, kennenzulernen. Auf dieser Basis möchte ich jetzt weiterarbeiten.

Die drei anderen Fraktionen sind jeweils zu zweit im Kirchenrat vertreten. Im Vergleich dazu sind Sie als einzelner Vertreter der Evangelisch-kirchlichen Fraktion (EKF) in einer Minderheitsposition. Ein Einzelgängerdasein?

Jetzt ist das noch so, aber wir hoffen natürlich, dass wir nach den Wahlen zu zweit sein werden. Es ist schon so, dass ich ab und zu eine Minderheit vertreten habe. Allerdings suchen wir im Kirchenrat ja den Konsens, und da fliesst dann auch die Meinung aller mit ein – unabhängig vom ideologischen oder theologischen Hintergrund. Da bringen alle am Tisch Sitzenden gleichberechtigt ihre Meinung einbringen. Abstimmungen, wo einfach die Mehrheit entscheidet, gibt es eher selten.

Es gilt also das Kollegialitätsprinzip wie beim Bundesrat. Die "Zauberformel" steht ja jetzt auch im Kirchenrat zur Debatte.

Früher waren wir ja die kleinste Fraktion, jetzt sind wir die zweitgrösste. Von daher hätten wir durchaus Anspruch auf einen zweiten Sitz und haben diesen Antrag auch gestellt. Am Ende entscheidet aber die Synode. Am Anfang waren wir ja eine Abspaltung vom Synodalverein. Weil der Synodalverein 1989 aus der EKVZ ausgetreten ist, wurde 1991 die Evangelisch-kirchliche Fraktion gegründet.

Wo sehen Sie die Rolle der EKF als zweitgrösster Fraktion?

Uns ist wichtig, dass Jesus im Zentrum der Kirche steht, so wie das auch in der Kirchenordnung formuliert ist. Der Gottesdienst sollte ein wichtiger Pfeiler der Kirche sein und bleiben, wo das Wort Gottes verkündet wird. Auch die Diakonie, das Bibellesen und das Gebet halten wir hoch, da kommen unsere pietistischen Wurzeln zum Tragen. Das sind alles Punkte, die die Fraktion in die Synode einbringt und ich in den Kirchenrat.

Wieso ist das wichtig, Sie weisen ja auch darauf hin, dass das schon so in der Kirchenordnung festgehalten ist.

Das sind natürlich alles Werte, die für alle Christinnen und Christen wichtig sein sollten. Sie gehen heutzutage aber gern etwas vergessen, und da sehen wir uns in der Rolle, die anderen Fraktionen an den christlichen Grundauftrag zu erinnern. Gerade in der heutigen Zeit müssen wir uns nicht verstecken mit unserer christlichen Botschaft; die biblischen Inhalte auch zu verkünden, spendet Hoffnung.

Bruno Kleeb (52)

Bruno Kleeb (52) vertritt die Evangelisch-kirchliche Fraktion (EKF) seit 2021 im Kirchenrat. Er wohnt in Bauma im Tösstal, «wo Kirche noch stärker im Gemeindeleben verankert ist als in den urbanen Zentren», wie er betont. Neben seinem Engagement im Kirchenrat leitet er eine Spitex und ein Altersheim mit 120 Angestellten und 6 Millionen Umsatz und arbeitet 80 Prozent in dieser Funktion. Bruno Kleeb ist gelernter Schreiner, besuchte die Fachhochschule Nordwestschweiz und schloss als Sozialpädagoge ab. Früher arbeitete er als Arbeitstherapeut in einer Wiedereingliederungsstätte, als Personalberater beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) und als Amtsvormund bei der Stadt Wetzikon. Er engagiert sich als Mitglied der EVP auch politisch. Er ist verheiratet und hat drei Kinder zwischen 21 und 25 Jahren.

Wo sehen Sie den grössten Reformbedarf vor dem Hintergrund der Kirchenaustritte? Wie müsste sich die Kirche künftig positionieren?Die Kirche tut sich keinen Gefallen, wenn sie ihre Wurzeln verleugnet. Wir dürfen selbstbewusst sagen, was unsere Werte sind und wofür wir einstehen. Was man kann und auch soll ist, neue Wege und Formate zu finden, in welchen man über den Glauben und Gott diskutieren kann. Auch Digitale Formate oder TV-Sendungen haben ihren Platz. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass man die Basisarbeit gut macht.

Woran denken Sie vor allem?

Zum Beispiel an die Religionspädagogik. Mein Ressort ist ja Bildung und Theologie. Es ist wichtig, dass wir gute Katechetinnen und Katecheten haben, die ihren Job gut und gern ausüben, sodass die Kinder gern in den Religionsunterricht gehen. Und dort eben auch die Geschichten des Alten und Neuen Testaments kennenlernen, die erläutern, wie unsere Welt aufgebaut ist und funktioniert. Natürlich müssen wir auch die Eltern überzeugen, damit wir möglichst wenige aus der nächsten Generation verlieren.

Wo sehen Sie da Handlungsbedarf? Das religionspädagogische Konzept wurde ja erst gerade aktualisiert.

Eine Studie hat kürzlich bestätigt, dass die Katechetinnen und Katecheten wirklich gute Arbeit machen. Ich will mich dafür einsetzen, dass sie möglichst gute Bedingungen haben. Sie müssen ihre Stunden am Rand des Stundenplans abhalten. Meist haben sie deshalb nur kleine Pensen und springen zu früh wieder ab. Wir müssen das Berufsbild und die Anstellungsbedingungen attraktiver machen.

Viele Eltern fühlen sich überfordert damit, ihre Kinder – neben immer höheren schulischen Anforderungen, Sport, Musikunterricht usw. – auch noch dazu zu verpflichten, regelmässig "freiwillig" in den Religionsunterricht zu gehen.

Es ist ja trotzdem ein Fach ohne Notendruck, das gemeinschaftliche Erlebnis steht im Vordergrund. Auch bei der Konfirmation gibt es Freiraum für individuelle Lösungen. Etwa, wenn sich ein Jugendlicher zwei Jahre davor dazu entscheidet, obwohl er nie im Religionsunterricht war. Aber natürlich ist es schon auch wichtig, dass die Eltern eine klare Haltung haben und ihren Kindern früh zu verstehen geben, dass sie den Unterricht in Religion für eine nützliche und sinnvolle Sache halten.

Interviewserie vor den Wahlen

Bis zu den Wahlen veröffentlicht «reformiert.» Interviews mit allen Kandidatinnen und Kandidaten für den Zürcher Kirchenrat und das vollamtliche Kirchenratspräsidium. Kirchenratspräsident Michel Müller tritt nach zwölf Jahren im Amt nicht mehr an. Die Kräfteverhältnisse in der Synode sind ziemlich ausgeglichen. Die Liberale Fraktion ist mit 34 Mandaten die stärkste Kraft, dahinter folgt die Evangelisch-kirchliche Fraktion mit 32 Sitzen. Die Religiös-soziale Fraktion zählt 28 Mitglieder, mit 27 Sitzen auf den letzten Platz abgerutscht ist der Synodalverein. Die Synode wählt Kirchenrat und Präsidium am 21. November. 

Was bringen Sie privat an Kompetenzen ein? Sie sind Geschäftsführer zweier Unternehmen im Gesundheitsbereich, da stellen sich zurzeit auch einige medizinethische Fragen.

Da kann ich sicher mein Know-how einbringen. Die Kirche ist in diesem Bereich auch relativ stark: mit der Spitalseelsorge oder unseren Stellen im Bereich Palliativ-Care. Trost spenden, neue Perspektiven aufzeigen, zusammen beten – da sind wir traditionell gut aufgestellt. Ein gutes Angebot, das ich immer wieder empfehle, sind auch die Letzte-Hilfe-Kurse. Dringenden Handlungsbedarf sehe ich da aber nicht.

Würdevolles Altern oder auch würdevolles Sterben sind Themen, die vor dem Hintergrund der Ökonomisierung im Gesundheitswesen in der Öffentlichkeit ein Thema sind. Soll sich die Kirche da engagieren?

Sie stellen im Grunde die Frage, wie sehr sich Kirche auch politisch engagieren soll. Ich denke, es ist gut, wenn die Kirche eine mögliche Bandbreite an Perspektiven aufzeigt. Mit ihren Positionspapieren zu Palliativ-Care und Sterbehilfe tut sie das; sie zeigt mögliche ethische Haltungen auf. Das ist auch ein Beitrag zur politischen Meinungsbildung. Und das kann und soll die Kirche durchaus tun; aufzeigen, welche Sichtweisen es gibt. Aber ich bin dagegen, dass die Kirche Parolen fasst.

Weil Sie Angst haben, dass Sie mit Ihrer Minderheitenposition überstimmt werden?

Wenn die ganze Bandbreite an Meinungen abgebildet wird, habe ich natürlich mehr Chancen, dass meine Position auch aufgenommen wird (lacht).

Zum Schluss noch: Welche konkreten Anliegen möchten Sie persönlich einbringen?

1. Die bessere Einbindung von Laien; im Kanton Zürich kennen wir das Amt des Laienpredigers oder Prädikanten beispielsweise nicht. Das sollte man durchdenken, gerade vor dem Hintergrund, dass wir zu wenig Pfarrpersonen haben werden. 2. Die Gemeindeautonomie: Das kirchliche Leben findet in den Kirchgemeinden statt; diese sollten möglichst viel selbständig entscheiden können. Die Kantonalkirche sollte sie dabei unterstützen, aber möglichst wenig Vorschriften machen. Dazu gehört für mich auch ein gut funktionierender Finanzausgleich, der schwächere Gemeinden stärkt.

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