«Die Kirche soll langfristig Leistungen erbringen können»

Kirchenratswahl

Katharina Kull-Benz kandidiert erneut für den Kirchenrat. Im Ressort Finanzen und Infrastruktur will die liberale Haushaltsexpertin die Weichen für die zukünftige Kirche stellen.

Frau Kull-Benz, Sie sind seit 2015 im Kirchenrat und werden nächstes Jahr 70. In diesem Alter sind viele längst im Ruhestand. Was reizt Sie an einer erneuten Kandidatur?  

Ich bin noch immer in  Stiftungen und Gremien aktiv, habe aufgrund meiner früheren politischen Arbeit ein gutes Netzwerk. Davon profitiert die Kirche sehr. Hätte ich dieses Netzwerk nicht mehr, wäre eine erneute Kandidatur nicht gerechtfertigt. Entscheidend ist für mich aber auch, dass mich meine Fraktion gebeten hat, weiterzumachen. Und dass viele Herausforderungen auf uns zukommen, für die wir Lösungen suchen müssen. Daran möchte ich mich beteiligen.  

Wo sehen Sie die grossen Herausforderungen?

Im gesellschaftlichen Wandel, der Individualisierung und der Digitalisierung zum Beispiel. Aber natürlich geht es auch um finanzielle Einbussen, die auf uns zukommen. Dafür gilt es, in meinem Ressort die richtigen Weichen zu stellen. Massnahmen rechtzeitig anzupacken, damit kirchliches Leben erhalten bleibt, auch unter veränderten Rahmenbedingungen. Die Kirche soll langfristig ihre Leistungen für die Gesellschaft erbringen können.  

Finanziell geht es der Landeskirche noch immer gut. Nicht einmal während der Corona-Pandemie kam es zu grossen Einbussen.

Das stimmt. Zwar sanken die Nettosteuereinnahmen 2021 erstmals minim aber 2022 waren es noch immer knapp 230 Millionen Franken.

Unter ihrer Ägide hat die Landeskirche recht viel Eigenkapital aufgebaut. Das sorgte immer wieder für Kritik in der Synode.

Es wurde zumindest in Frage gestellt. Dass wir dennoch Eigenkapital aufgebaut haben, liegt daran, dass die Pfarrpersonen bei der Landeskirche angestellt sind. Um sicherzustellen, dass der Betrieb für mindestens sechs Monate gewährleistet ist,  wenn die Landeskirche einmal in die Bredouille gerät, soll die Höhe des Nettovermögens 60 Millionen Franken betragen.  Ein höheres Nettovermögen soll über 5 Jahre reduziert werden. . Um etwas abzubauen, sollen  nun zwei Kredite nicht ausgeglichen werden. Das Budget wird 2024 also leicht negativ sein.

Katharina Kull-Benz

Katharina Kull-Benz hat Betriebsökonomie an der Universität St. Gallen studiert und war Jahrzehnte politisch aktiv: als Kantonsrätin und FDP-Gemeindepräsidentin von Zollikon. Neben ihrem Amt als Kirchenrätin sitzt sie in verschiedenen Gremien. Unter anderem ist sie Präsidentin des Stiftungsrats Diakoniewerk Neumünster und Verwaltungsrätin der Tonhalle Gesellschaft Zürich. Aufgewachsen ist die Mutter von zwei erwachsenen Kindern in Zollikon und Herrliberg.

Langfristig wird sich der Mitgliederschwund stärker auswirken. Womit muss die Landeskirche finanziell rechnen?

Eine Studie, die der Kirchenrat in Auftrag gegeben hat, hält fest, dass sich die Zahl der reformierten Kirchenmitglieder im Kanton bis 2045 halbieren wird. Derzeit sind wir bei rund 390 000. Das heisst, die Steuereinnahmen von natürlichen Personen werden sinken. Allerdings langsamer als es der Mitgliederschwund vermuten lässt, um etwa 20 Prozent. Das hat mit der Überalterung der Kirchenmitglieder zu tun. Die wackeligste Grösse sind die Kirchensteuern juristischer Personen. Und die sind für uns ganz wichtig, denn die Leistungen, die wir für die Gesellschaft erbringen, werden zum Grossteil über diese Steuern finanziert.  

Dass die Finanzlage für die Kirche in Zukunft schwieriger wird, ist unbestritten. Wie geben Sie in Ihrem Dossier Gegensteuer?

Es gibt zwei Hebel: Aufwand reduzieren und den Ertrag erhöhen, bzw. neue Ertragsquellen suchen. Der Kirchenrat hat die Gesamtkirchlichen Dienste beauftragt, in der Verwaltung bis 2027 zehn Prozent des Personal- und Sachaufwandes einzusparen. Mit Blick auf neue Ertragsquellen erarbeiten wir derzeit ein Fundraising-Konzept, wie es Kirchen in Deutschland verwenden. Da geht es unter anderem darum, je nachdem, für welche Zwecke Mittel benötigt werden, geeignete Stiftungen anzugehen. Bei der Domäne Kappel konnten wir so die neuen Klostergärten finanzieren.  

Wie sieht es mit Ertragsmaximierung aus?

Da kommen die  Liegenschaften der Kirchgemeinden ins Spiel. Wir haben ein Immobilienportfolio, das für 650 000 Mitglieder ausgelegt, also völlig überdimensioniert, ist. Die Liegenschaften, die nicht mehr kirchlich genutzt werden, sollen nicht etwa verkauft, sondern umgenutzt und so zu neuen Finanzierungsquellen werden. Dazu müssen sie vom Verwaltungs- ins Finanzvermögen übertragen werden. Zu dem Zweck haben wir das Projekt Soziallabor ins Leben gerufen.  

Interviewserie vor den Wahlen

Bis zu den Wahlen veröffentlicht «reformiert.» Interviews mit allen Kandidatinnen und Kandidaten für den Zürcher Kirchenrat und das vollamtliche Kirchenratspräsidium. Kirchenratspräsident Michel Müller tritt nach zwölf Jahren im Amt nicht mehr an. Die Kräfteverhältnisse in der Synode sind ziemlich ausgeglichen. Die Liberale Fraktion ist mit 34 Mandaten die stärkste Kraft, dahinter folgt die Evangelisch-kirchliche Fraktion mit 32 Sitzen. Die Religiös-soziale Fraktion zählt 28 Mitglieder, mit 27 Sitzen auf den letzten Platz abgerutscht ist der Synodalverein. Die Synode wählt Kirchenrat und Präsidium am 21. November. 

Ein Soziallabor, was soll das sein?

Das Konzept kommt aus Grossbritannien. Im Wesentlichen geht es bei uns darum, zum Thema kirchliche Immobilien alle potenziell interessierten Nutzergruppen an einen Tisch zu bringen und die Nutzung der Liegenschaften gemeinsam weiterzuentwickeln. Also neben der Kirche etwa die Baudirektion mit der Denkmalpflege, die politischen Gemeinden, die Schulbehörden, Kulturvertreter. Es geht um einen Dialog, darum herauszufinden, wer welche Bedürfnisse hat mit Blick auf Liegenschaften und wo wir als Landeskirche Hand bieten könnten. Für ein Pilotprojekt suchen wir nun geeignete Kirchgemeinden.  

Zusammenarbeit mit politischen Gemeinden und Schulgemeinden gibt es bereits jetzt häufig. Gebäude werden etwa als Schulhorte genutzt. Geht es auch um neuen Wohnraum?

Ja natürlich aber die Kirche kann wohl kaum Wohnungen im Luxussegment vermieten. Vorgängig ist für eine Kirchgemeinde ein Liegenschaftskonzept sinnvoll. In einer Seegemeinde mit mehreren Pfarrhäusern wurde beispielsweise  eines verkauft. Mit dem Erlös wurde eine nicht mehr genutzte Pfarrhausliegenschaft abgerissen und dann wurden auf dem Grund 11 Wohnungen gebaut, zu für die Goldküste moderaten Mieten. So etwas ist auch eine Lösung. Könnten wir hier einen Leitfaden erarbeiten, den Kirchgemeinden nutzen können, wäre schon viel erreicht.  

Welche Themen stehen bei einer erneuten Amtszeit als erstes an?

Der kirchliche Finanzausgleich muss umgebaut werden. Und dann geht es darum, die Staatsbeiträge für 2026 bis 2030 auszuhandeln.  

Fürchten Sie, dass die Staatsbeiträge sinken könnten?

Berechnungsgrundlage für die Staatsbeiträge ist die Zahl der Kirchenmitglieder.  Derzeit liegen die Staatsbeiträge bei 50 Millionen Franken pro Jahr für beide Kirchen zusammen. Ich hoffe das bleibt so. Denn gingen die Beiträge zurück, könnten wir bestimmte Leistungen nicht mehr erbringen. Dann stellt sich die Frage: wer erbringt sie? Oder werden sie gar weggespart? Denn die Kirchen können mit ihrer wertvollen Freiwilligenarbeit bestimmte Leistungen günstiger anbieten als etwa der Staat.   

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