Recherche 19. Dezember 2016, von Beat Schlatter

«Der Befreier Gideon war ein Angsthase»

Serie

Pfarrer Konrad Müller gibt Beat Schlatter Tipps gegen die Winterdepression und vergleicht sich mit dem Befreier Gideon, der eigentlich ein ängstlicher Typ war.

Ich stehe am Bahnhof Effretikon. Den denkmalgeschützten Kirchturm vom Zürcher Architekten Ernst Gisel sehe ich sofort und staune. Gisel hat auch das mir bestens vertraute Theater am Hechtplatz gebaut. Doch das Theater erinnert überhaupt nicht an dieses Meisterwerk. Was den Arbeitsort betrifft, wäre ich besser Pfarrer als Schauspieler geworden. An so einem Turm hätten wir am Hechtplatz unsere Freude. Und diese Glocken würden alle hören, wenn die Pause fertig ist. Pfarrer Konrad Müller muss mich aus einem Fenster gesehen haben. Er kommt auf mich zu und sagt: «Ich bin der Koni.»

Deine Kirche anzuschauen, macht bei mir sofort eine gute Laune.

Konrad Müller: Das freut mich. Als besondere Attraktion darf man sich an unserem Herbstfest vom Turm abseilen lassen.

Und du machst das?

Nein. Ich will mich ja nicht vordrängen.

Eine edle Geste, der ich mich gerne anschliesse. Mehr gedient wäre mir heute mit einem Tipp gegen die Winterdepressionen.

Ein gutes Rezept ist, wenn man nicht alleine in der Wohnung hockt. Man kann zum Beispiel bei uns im Chor mitsingen.

Dafür braucht man ein Minimum an Begabung. Dem Melancholiker ist kaum geholfen, wenn die anderen Chormitglieder ihm ständig zu verstehen geben, dass er falsch singt.

Wir haben auch jeden Mittwoch ein Mittagessen. Ein internationales Kochteam hat gestern für 130 Personen hervorragend gekocht. Es kostet zehn Franken, inklusive Kaffee und Dessert.

Das ist günstig. Der Wein ist inbegriffen?

Der kostet extra.

Kann ich auch kommen, wenn ich meine Kirchensteuer in der Stadt Zürich bezahle?

Alle Menschen sind willkommen.

Das merke ich mir. Gut wäre das sicher auch für die vielen Geschäftsessen. Sparen müssen heutzutage ja sogar die Banken.

Man kann hier bei uns in der Kirche aber auch Sprachen lernen.

Oh ja! Mein Französisch hätte eine Auffrischung bitter nötig.

Das Angebot ist eher für Einwanderer und Flüchtlinge gedacht, die Deutsch lernen wollen. Türkisch bieten wir nicht an. Englisch und all die wunderbaren anderen Sprachen auch nicht. Aber dafür haben wir regelmässig eine Kleiderbörse.

Schade, erfahre ich das erst jetzt, sonst hätte ich einen Sack Schuhe meiner Frau mitgebracht. Was heisst einen Sack voll, ich hätte mit dem Lastwagen kommen müssen. Welche Person aus der Bibel ist dir ähnlich?

Gideon. Er wird im Buch Richter von Gott berufen, sein Volk von den Midianitern zu befreien. König Midian unterdrückt die Israeliten brutal. Gideon ist das Gegenteil von einem Draufgängertyp. Er bittet immer wieder um ein Zeichen, dass Gottes Gnade mit ihm ist. Eigentlich ist der Befreier des israelitischen Volkes ein Angsthase. Das ist mir sympathisch.

Wir kommen zur Wettbewerbsfrage: Wie lange musste Isaak beten, bis seine Frau Rebekka endlich schwanger wurde?

Oh, das ist eine schwierige Frage.

Ich helfe dir ein wenig. Es dauerte ziemlich lange. Möglicherweise wäre es schneller gegangen, wenn er es physisch probiert hätte.

Ich kenne die Stelle und weiss, dass er auch das versuchte. Von einer Jung­frauen­geburt steht dort nichts. Ich muss raten: fünf Jahre?

Wettbewerb

Hat der Pfarrer recht oder nicht? Schreiben Sie uns, wie lange Isaak beten musste, bis seine Frau Rebekka endlich schwanger wurde: wettbewerb@reformiert.info oder reformiert.zürich, Preyergasse 13, Postfach, 8022 Zürich. Zu gewinnen gibt es einen Gutschein für die Confiserie Sprüngli. Einsendeschluss: 30. Dezember.

Die richtige Antwort auf die Frage in der Aus­gabe 11.2 lautet: Mit sieben Glocken hat die reformierte Pauluskirche in Zürich das grösste Geläut im Kanton.