Recherche 15. Juni 2017, von Beat Schlatter

«Religion hätte mehr Humor nötig»

Serie

Sieht sie von der Kanzel einen pensionierten Pfarrkollegen, wird sie nervös. Nicht aber, wenn Brad Pitt in der Kirche sässe. Beat Schlatter bei Sibylle Forrer.

Du warst beim SRF Fernsehpfarrerin. Wie kommt man zu diesem Job? Muss man da an ein Casting und dort etwas vorpredigen?

Sibylle Forrer: Ich war nicht Fernsehpfarrerin, sondern Sprecherin der Sendung «Das Wort zum Sonntag». Der Inhalt ist auch keine Predigt, es geht um Kommentare aus christlicher Sicht. Zum Job kam ich wie die Jungfrau zum Kind. Eines Tages rief mich das Fernsehen an.

Du wurdest also von jemandem empfohlen?

Genau. Ich musste an mehrere Castings, an denen mir unterschiedliche Aufgaben gestellt wurden. Einmal musste ich aus verschiedenen Gegenständen einen auswählen. Dazu bekam ich ein Thema. Die Aufgabe bestand nun darin, Gegenstand und Thema aus dem Augenblick heraus zu verbinden und den Beitrag für die Sendung verständlich zu formulieren und vorzutragen. Diese Testsendung wurde natürlich nie ausgestrahlt. 

Die «Tagesschau»-Sprecherinnen bekommen vom SRF ein grosszügiges Kleiderbudget und einen persönlichen Berater, der beim Einkaufen der Kleider mitkommt.

Dieses Privileg haben die Pfarrerinnen und Pfarrer leider nicht. Aber wir bekamen ein sehr professionelles Kameratraining und Sprechcoaching.

Hat sich deine Fernsehpräsenz auf die Besucherzahlen im Gottesdienst ausgewirkt?

Wegen meiner Bekanntheit kamen nicht mehr Menschen zu mir in die Kirche.

Kennst du «Spiel um dein Land»?

Ja, in der Fernsehsendung müssen drei Persönlichkeiten aus drei Ländern mit Wissensfragen und Geschicklichkeitsspielen ihr Land möglichst gut vertreten.

Könntest du dir eine solche Sendung vorstellen mit Geistlichen aus verschiedenen Religionen und Konfessionen? Der Bischof müsste einer Frau eine Liebeserklärung machen.

Und der reformierte Pfarrer einen charismatischen Ausdruckstanz vorführen.

Genau. Oder der Reformierte müsste die Wunder des heiligen Antonius erklären.

Ich frage mich einfach, wer eine solche Sendung sehen wollte. Aber ich bin mit dir einverstanden, in der Religion würde es sehr viel mehr Humor vertragen.

Wenn ich im Theater auftrete, kommt es vor, dass Berufskollegen in die Vorstellung kommen. Ist das in der Pfarrerszene auch so?

Es kommt schon vor, dass eine Kollegin oder ein Kollege in der Kirche sitzt. Meistens sind es pensionierte Pfarrer. Ich werde dann immer ein wenig nervös.

Gibt es eine Persönlichkeit, deren Besuch, dich auf der Kanzel aus dem Sattel werfen könnte? Brad Pitt zum Beispiel?

Der Typ spricht mich gar nicht an.

Der Papst?

Bist du wahnsinnig? Das wäre mir aber so etwas von egal.

Und Recep Erdogan?

Ich würde mir Sorgen machen, warum der zu mir in den Gottesdienst kommt. Sehr freuen würde ich mich dafür, wenn Satiriker Jan Böhmermann zu mir in die Kirche käme. Und nervös wäre ich auch.

Zur Quizfrage: Wo steht in der Bibel, dass der Wein das Herz der Menschen froh macht?

Vielleicht in der Weisheitsliteratur im Alten Testament. Es könnte auch ein Spruch von Jesus sein an irgendeinem Fest. Ich bleibe dabei und tippe auf das Buch der Sprüche

Wettbewerb

Hat die Pfarrerin recht oder nicht? Schreiben Sie uns, wo in der Bibel steht, dass der Wein das Herz der Menschen froh macht: wettbewerb@reformiert.info oder reformiert.zürich, Preyergasse 13, Postfach, 8022 Zürich. Zu gewinnen gibt es zwei  Gutscheine à 50 Franken für das Casinotheater Winterthur. Einsendeschluss ist der 30. Juni 2017.

Die richtige Antwort auf die Frage in der Ausgabe 5.2 lautet: Das Wort Jerusalem kommt im Neuen Testament 154 Mal vor.

Sibylle Forrer (37)

Die Pfarrerin von Kilchberg studierte in Zürich und Berlin Theologie. Nach der Ordination 2009 war sie sechs Jahre Pfarrerin in Oberrieden. Von 2014 bis 2016 gestaltete Sibylle Forrer 24 Beiträge der Sendung «Wort zum Sonntag». Für die liberale Fraktion ist sie Mitglied der Synode.

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