Recherche 13. Oktober 2016, von Beat Schlatter

«Ein Schmunzeln muss Platz haben»

Serie

Pfarrerin Silvia Trüssel erzählt Beat Schlatter von ihrem Ausflug auf die Kabarettbühne und die Freude am Predigen.

Übermorgen stehst du wieder auf der Kanzel. Hast du deine Predigt schon fertig?

Silvia Trüssel: Noch nicht. Ich habe die Arbeit daran für dieses Interview unterbrochen. Am Freitagabend will ich die Predigt jeweils spätestens fertig haben.

Den Stress heute Abend könntest du dir doch sparen und einfach eine gute Predigt aus dem Internet herunterladen.

Das könnte ich. Aber bis ich die fremden Worte zu meinen eigenen gemacht habe, verbrauche ich mehr Zeit, als wenn ich eine eigene Predigt schreibe. Wir sind in unserer Gemeinde relativ viele Pfarrpersonen, sodass ich nur zwölf Mal im Jahr predigen kann. Deshalb ist die Vorfreude auf den Gottesdienst gross. Übrigens ist das in Uster bei uns allen der Fall. Nur sehr ungern gibt jemand eine Predigt ab. Heiligabend bekomme ich nur alle fünf Jahre, dann heisst es wieder warten.

Also erübrigt sich meine nächste Frage. Ich hätte gerne eine Predigt für dich verfasst.

Das würdest du für mich machen?

Sehr gerne sogar. In mir schlummert ein verhinderter Pfarrer. Wir könnten auch beide zum selben Thema eine Predigt schreiben. Du trägst beide Texte im Gottesdienst vor, und die Zuhörerinnen und Zuhörer sollen herausfinden, welche von wem ist.

Das müsste dann aber im gleichen Gottesdienst geschehen. Nach vier Wochen erinnern sich vielleicht einige schon gar nicht mehr an die erste Predigt.

Ich würde schon dafür sorgen, dass man meine Predigt nicht vergisst. Uns verbindet aber noch etwas. Du hast hier in der Kirche mit deinen fünf Pfarrkolleginnen und -kollegen ein Kabarettprogramm aufgeführt. Habt ihr Sketche geschrieben über die Zeugen Jehovas oder die Atheisten?

Nein. Wir spielten sechs fiktive Pfarrpersonen mit verschiedenen Charakteren, die das Reformationsjahr 2019 planen. Eine Pfarrerin zum Beispiel wollte mehr Action, ein Pfarrer stand kurz vor einem Burnout. Ich selbst spielte jene Pfarrerin, die es allen recht machen wollte. Wir haben auch Kirchenlieder neu getextet. Es war ein humoristisches Programm mit Tiefgang. Wir haben das Programm zwei Mal gespielt. Am Samstag hatten wir eher ein Schenkelklopfer-Publikum, am Sonntag waren die Zuschauer dann ein wenig zurückhaltender.

Zu den beiden Aufführungen kamen insgesamt über 700 Leute. Denkst du nicht, dass du mit solchen Pointen das Publikum besser erreichst als mit deinen Predigten?

Nein, das glaube ich nicht. Der Publikumsaufmarsch war wegen der Einmaligkeit unserer Aufführungen derart gross. Die Leute wollten wissen, ob das überhaupt lustig sein kann, wenn Pfarrpersonen Theater spielen. Ich finde, in jedem Gottesdienst – auch an Taufen, Hochzeiten oder Abdankungen – muss mindestens ein Schmunzeln Platz haben.

Zum Schluss noch zu meiner Wettbewerbsfrage: An welcher Stelle in der Bibel wird zum ersten Mal über Äpfel berichtet?

Also das Wort Apfel muss vorkommen? Und nicht das Wort Frucht, das dann später als Apfel verstanden wurde?

Machen wir es nicht kompliziert. Das, was der Tell dem Sohn vom Kopf geschossen hat.

Ich sage in der Schöpfungsgeschichte. Dort wird von einer Frucht gesprochen. Das Wort Apfel kommt an dieser Stelle aber nicht vor. Wenn es also nicht in der Schöpfungsgeschichte ist, weiss ich die Antwort nicht.

Wettbewerb

Hat die Pfarrerin recht oder nicht? Schreiben Sie uns, an welcher Stelle in der Bibel zum ersten Mal über Äpfel berichtet wird: wettbewerb@reformiert.info oder reformiert.zürich, Preyergasse 13, Postfach, 8022 Zürich. Zu gewinnen gibt es eine Übernachtung mit Frühstück für zwei Personen im Kloster Kappel. Einsendeschluss: 4. November. Die richtige Antwort auf die Frage in der Aus­gabe 9.2 lautet: Zachäus stieg auf einen Maulbeerbaum, um Jesus zu sehen (Lk 19,4).

Silvia Trüssel (40)

Nach der Banklehre legte Silvia Trüssel die Erwachsenenmatur ab und studierte in Zürich Theologie. Seit Sommer 2013 arbeitet sie als vollamtliche Pfarrerin in Uster. Die sechs Pfarrerinnen und Pfarrer der Gemeinde standen im Januar im Stück «Das grosse Ärr» auf der Bühne.