Recherche 19. Januar 2017, von Beat Schlatter

«Petrus hatte sich nicht immer im Griff»

Serie

Pfarrerin Marjoline Roth erklärt Beat Schlatter, weshalb der cholerische Petrus der bessere Nachfolger Jesu war als dessen Lieblingsjünger Johannes.

Fürchtet man sich so wie ich vor Hunden, entwickelt man einen achten Sinn für Häuser, in denen Gefahr lauert. Nach dem Klingeln werden meine Befürchtungen wahr. Pfarrerin Marjoline Roth öffnet mir, bemerkt mein Unbehagen. «Sie brauchen keine Angst zu haben, die Schosshündin hat keine Vorderzähne mehr.» Sogleich taucht eine Katze auf, die grösser ist als die Chihuahua. «Wenn ich meine kleine Assistentin ausnahmsweise nicht ins Altersheim mitnehme, fragen mich die Bewohner sofort, wo der Hund ist.» Zuversichtlich folge ich der Pfarrerin an ihren Küchentisch.

Vor Ihrer Kirche hat es einen ansehnlichen Rebberg. Wird dessen Wein jeweils zum Abendmahl ausgeschenkt?

Marjoline Roth: Ganz richtig. Das ist unser Chilehügelwii, der hier wächst.

Ist es denn hier so sonnig, oder muss man den Wein stark aufzuckern?

Männedorf war lange ein Weinbauern­dorf, wir leben an der Goldküste.

Ich bin an der Pfnüselküste aufgewachsen. Schon in der ersten Klasse musste ich hören, dass bei euch alles besser ist. Der Vater meines damaligen Freundes war Weinkenner und hatte mehrmals die Vermutung geäussert, dass in unserer Kirche beim Abendmahl der Wein aus dem Karton kommt.

Unser Chilehügelwii ist ein ausgezeichneter Wein. Es gibt ihn auch in Flaschen zu kaufen. Für das eine oder andere Dankeschön verschenken wir ihn.

Welches von all den Wundern in der Bibel ist für Sie das unglaubwürdigste?

Wunder sind doch eben gerade nicht dazu da, dass man sie zu erklären versucht.

Aber sind wir doch einmal realistisch, diese Meerteilung ist doch schlicht nicht möglich.

Da fragen Sie falsch. Das sind Bilder für menschliche Urerfahrungen. Die Meerteilung steht für gefährdete Befreiung aus langer Gefangenschaft. Auch die beiden Schöpfungsgeschichten sind keine naturwissenschaftlichen Abhandlungen.

Weshalb war eigentlich Johannes der Lieblingsjünger von Jesus?

Wahrscheinlich weil Johannes der jüngste unter seinen zwölf Jüngern war.

Und weshalb hat dann Jesus nicht ihn zu seinem Nachfolger gemacht, sondern Petrus, der ihn sogar noch dreimal verleugnet hat?

Petrus hatte sich nicht immer im Griff. Er hat jemandem ein Ohr abgehauen, er war cholerisch und war dadurch menschlicher und somit glaubwürdiger.

Der Mantel des heiligen Antonius in Padua ist ein Touristenmagnet. Jetzt im Jubiläumsjahr könnten die Reformierten Zwinglis Pantoffeln ausstellen und Eintritt verlangen. Es müssen nicht wirklich seine Schlarpen sein, bei den Reliquien ist das oft auch nicht klar.

Das ist ganz und gar nicht reformiert. Der Befreiungsschlag der Reformatoren bestand ja gerade darin, dass sie sich vom Heiligenkult und den Reliquien lösten.

Die Bibel ist das meistverkaufte Buch. Wem gehören eigentlich die Autorenrechte?

Die Bibel gehört allen. Wir dürfen kostenlos daraus zitieren. Deshalb ist das Buch auch so billig. Zum Glück!

Viele Leute haben im Januar ein schlechtes Gewissen, weil sie über die Festtage zu viel gegessen haben. Ich möchte mit meiner Wettbewerbsfrage diesen negativen Ge­fühlen entgegenwirken. In welchem Buch der Bibel steht «Iss, trink und sei fröhlich»?

Das steht im Buch «Prediger».

Wettbewerb

Hat die Pfarrerin recht oder nicht? Schrei-
ben Sie uns, in welchem Buch der Bibel steht: «Iss, trink und sei fröhlich»: wettbewerb@re-formiert.info oder re
formiert.zürich, Preyergasse 13, Postfach, 8022 Zürich. 
Zu gewinnen gibt es zwei Büchergutscheine im Wert von 50 Franken. Einsendeschluss: 12. Januar.


Die richtige Antwort auf die Frage in der Ausgabe 12.2 lautet: 
Isaak musste zwanzig Jahre lang beten, 
bis seine Frau Rebekka endlich schwanger wurde.

Marjoline Roth (61)

Zuerst Primarlehrerin, studierte Marjoline Roth Musikwissenschaft, Germanistik und Graecistik. Sie entdeckte die Kirchen-musik und arbeitete 25 Jahre als Organistin und Chorleiterin. Mit 46 Jahren begann sie ihr Theologiestudium und wurde 2006 
als Pfarrerin ordiniert. Roth ist 
verheiratet und hat zwei Kinder.