Die Konzernverantwortungsinitiative verlangt, dass Schweizer Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie oder ihre ausländischen Tocherfirmen Umweltstandards missachten oder Menschenrechte verletzen. Hinter der Initiative stehen inzwischen 97 Organisationen, federführend beteiligt war das reformierte Hilfswerk Brot für alle. Noch bevor der Abstimmungskampf begonnen hat, verbucht die Initiative nun einen Etappensieg.
Nur für schwere Fälle
Die Rechtskommission des Nationalrats will einen indirekten Gegenvorschlag ausarbeiten, der den Initianten überraschend weit entgegen kommt. Der Bundesrat hatte die Konzernverantwortungsinitiative noch ohne Gegenvorschlag abgelehnt.
Die Kommission will zentrale Forderungen der Hilfswerke in die Revision des Aktienrechts aufnehmen. Für Unternehmen und Verwaltungsräte sollen Sorgfaltspflichten zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt gelten, hinzu kommt die Verpflichtung zur Berichterstattung über die weltweiten Geschäfte. Bei Schäden «an Leib und Leben oder Eigentum» würden die Firmen haftbar gemacht. Die Haftung gilt auch für Tochterfirmen, nicht aber für Lieferanten im Ausland.
Im Gegensatz zur Initiative nimmt der Gegenvorschlag kleinere Firmen von den schärferen Gesetzen aus. Er definiert drei Schwellenwerte: eine Bilanzsumme von 40 Millionen Franken, einen Umsatz von 80 Millionen und 500 Vollzeitstellen. Wer zwei dieser Hürden überspringt, kann haftbar gemacht werden. Auch kleinere Firmen können belangt werden, sofern sie mit ihren Geschäften besonders hohe Risiken in den Bereichen Umwelt und Menschenrechte eingehen.
Überraschend klare Mehrheit
Wenn sich ein Unternehmen der Verletzung von Menschenrechten oder Umweltstandars schuldig macht, muss es nachweisen können, dass es die Sorgfaltspflichten trotzdem erfüllt hat. Nur so können sie Sanktionen entgehen. Diesen Mechanismus, der von den Gegnern als Umkehr der Beweislast kritisiert wird, übernimmt der Gegenvorschlag von der Initiative.
Mit 18 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen fiel das Abstimmungsresultat in der bürgerlich dominierten Kommission überraschend deutlich aus. Damit sind die Chancen intakt, dass der Gegenvorschlag die Parlamentsdebatte übersteht. Die Diskussionen innerhalb der Fraktionen sind jedoch noch nicht abgschlossen.
Bei einem ersten Gegenvorschlag, der weniger Ausnahmen vorsah, hatten die Initianten zwar von «schmerzhaften Abstrichen» geprochen, aber den Rückzug der Initiative angekündigt, wenn er das Parlament unverändert passieren würde. Nun sei diese Version «erneut abgeschwächt» worden, kritisiert das Initativkomitee in einer Mitteilung. Verhandlungsbereitschaft signalisiert es dennoch.
Initiative noch lange nicht vom Tisch
Der ehemalige FDP-Ständerat Dick Marty, der im Initiativkomitee sitzt, nannte bereits den ersten, weiter gehenden Gegenvorschlag einen Kompromiss. Weil es den Initianten jedoch primär «um eine rasche Verbesserung der Situation für die betroffenen Menschen» gehe, hätten sie den Rückzug angeboten.
Sobald der finale Text des nun in der Rechtskommission ausgehandelten Gegenvorschlags vorliegt, will das Komitee auch diese Variante sorgfältig prüfen. Die Vorbereitung der Abstimmungskampagne werde trotzdem vorangetrieben. Damit bleibt offen, ob der Nationalrat mit dem nun ausgehandelten Kompromiss tatsächlich die Konzernverantwortungsinitiative vom Tisch bringt, die laut ersten Umfragen an der Urne gute Chance hätte.