Die Konzernverantwortungsinitiative verlangt, dass Schweizer Konzerne im Ausland die Menschenrechte einhalten und die Umwelt schützen. Was kann man dagegen haben?
Ruedi Noser: Die Frage ist falsch gestellt, denn die Firmen haften schon heute im In- und Ausland. Die Initiative will jedoch, dass Schweizer Firmen jederzeit garantieren können, dass es bei all ihren Geschäftsbeziehungen weltweit zu keinem Verstoss gegen die Menschenrechte und Umweltstandards kommt. Und das müssen sie beweisen können vor einem Schweizer Gericht. Ansonsten haften sie auch für ihre ausländischen Partner, Lieferanten und Abnehmer.
Ist es nicht so, dass die Kläger den Schaden nachweisen müssen?
Die Kläger müssen lediglich beweisen, dass sie einen Schaden erleiden. Die Schweizer Firmen müssen hingegen beweisen, dass sie alles unternommen haben, um den Schaden zu verhindern. Auch wenn die Initianten etwas anderes behaupten, wird jeder Richter die Unternehmen auffordern, zu belegen, warum sie für den Schaden nicht haftbar sind. Und dieser Beweis betrifft sämtliche Lieferanten, Partner und Kunden.
Heute kann sich kein Konzern ein schlechtes Image wegen Umweltzerstörung leisten. Tut die KVI damit der Wirtschaft nicht einen Gefallen?
Im Gegenteil. Die Initiative führt dazu, dass sich viele Schweizer Unternehmen aus dem Ausland zurückziehen, weil sie das Risiko nicht eingehen können. Insbesondere gilt dies für kleine Firmen. Keine Firma ist vor der Gefahr gefeit, beliebig unschuldig in Prozesse verwickelt zu werden, sei es von Zivilgesellschaften, Mitarbeitenden, Anwälten oder Konkurrenten. Die Schweizer Firmen ziehen sich dann aus den Hochrisikoländern zurück und vergrössern so die Armut vor Ort. Ich bin überzeugt, dass die Initiative die Menschenrechtssituation in den armen Ländern verschlechtert.
Ärgert es Sie als korrekter Unternehmer nicht, dass stets die gleichen Firmen in die Schlagzeilen geraten?
Ich teile die Meinung, dass Schweizer Firmen anständig geschäften sollen. Die allermeisten tun dies auch. Dies zeigt eine Untersuchung des Bundesrats von 2018. Gemäss diesem Bericht verfügen über 80 Prozent der Schweizer Grosskonzerne über eine Menschenrechtspolitik gemäss UNO-Vorgaben. Wenn man sich an Glencore stört, sollte man eine Lex- Glencore erlassen und nicht die ganze Wirtschaft in Haft nehmen.