Noch einen Tag vor der Abstimmung in der Rechtskommission appellierte der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) an den Ständerat, den Gegenentwurf zur Konzernverantwortungsinitiative (KoVi) anzunehmen. Ratspräsident Gottfried Locher stellte in dem Schreiben an die Parlamentarier heraus: «Die Wirtschaft soll dem Menschen dienen. Deshalb wird der Kirchenbund immer seine Stimme erheben, um die Schweiz an ihre Verantwortung für die Menschen im globalen Süden zu erinnern.»
Ständerat blockiert Gegenvorschlag
Die Rechtskommission hat die Signale von Kirche und Zivilgesellschaft aufgenommen und will mit der Annahme des Gegenvorschlags erreichen, dass die KoVi zurückgezogen wird. Ob der Ständerat indes seiner Kommission folgen wird, ist völlig offen. Denn bereits im Frühjahr wollte der Ständerat trotz günstiger Umfragewerte für die KoVi den Abstimmungskampf riskieren und lehnte den Gegenvorschlag ab. Der Haupttenor der ablehnenden Mehrheit: Auch der Gegenvorschlag werde die Schweiz zum Mekka für die «internationale Klageindustrie» machen.
Für die Initianten ist dagegen klar: Trotz der Abstriche, die der Gegenvorschlag an der ursprünglichen Vorlage macht, würden sie die Initiative zurückziehen. So sagt beispielsweise Stephan Tschirren vom reformierten Hilfswerk Brot für alle (Bfa), dass der bereits 2018 vom Nationalrat verabschiedete Gegenvorschlag «ein griffiges, sofort wirksames Rechtsmittel» sei.
Alternative Aktienrecht
Juristisch soll die Konzernverantwortung im Aktienrecht verankert werden. Im Gegensatz zur Initiative sollen nur Konzerne mit mehr als 500 Mitarbeitende in die Pflicht genommen werden. Weiter ist die Haftungspflicht der Konzerne für ihre ausländischen Töchterfirmen im Gegenvorschlag enger als von den Initianten gefasst. Sie beschränkt sich ausschliesslich auf Verletzungen von Leib und Leben oder Eigentum.
Wichtig ist den130 Organisationen aus Kirchen, Menschenrechtsorganisationen, Hilfswerken und Gewerkschaften, welche die Initiative lanciert haben, dass die Haftungspflicht für die Grosskonzerne gesetzlich festgeschrieben wird. Auch das SEK hält in seinem Schreiben fest, dass die Haftungsfrage nicht ausgeklammert werden kann. Der Minderheit in der Rechtskommission ging es genau darum, diesen Passus herauszustreichen. Für sie reicht es, ähnlich wie dem Bundesrat, wenn im Aktienrecht ausschliesslich die Sorgfaltsprüfung und Berichterstattung verankert werden.
Was der KoVi bisher gute Umfragewerte bescherte, sind die Negativ-Meldungen von Rohstoffhändlern und Bergbau-Konsortien wie beispielsweise des im steuergünstigen Baar (ZG) domizilierten Glencore-Konzern. Schlagzeilen von dreckigem Gold, Landvertreibungen für neue Minen und verschmutzte Flüsse durch den Bergbau werden von dem sonst eher wirtschaftsfreundlich eingestellten Publikum nicht goutiert.