Recherche 23. Februar 2018, von Cyrill Rüegger

Überfällig oder übermotiviert?

Politik

An einem Podium der Thurgauer Landeskirche diskutieren Gegner und Befürworter über Sinn und Unsinn der Konzernverantwortungsinitiative.

Die christlichen Hilfswerke «Brot für alle» und «Fastenopfer» stehen nicht nur hinter der Ökumenischen Kampagne, die jeweils in den sechs Wochen vor Ostern stattfindet. Sie waren ebenso an der Lancierung der Konzernverantwortungsinitiative beteiligt, die im nächsten Jahr zur Abstimmung kommt.

«Damit wollen wir verbindliche Regeln für Schweizer Konzerne schaffen, damit diese auch bei Auslandstätigkeiten Menschenrechte und internationale Umweltstandards respektieren», erklärt Jeanne Pestalozzi-Racine, Stiftungsratspräsidentin von «Brot für alle». Das evangelische Hilfswerk setze sich seit jeher für die Achtung der Menschenwürde und für einen sorgfältigen Umgang mit der Schöpfung ein. Das Engagement für die Initiative sei deshalb eine logische Konsequenz.

Initiative «prügelt» viele Falsche

Die Abstimmung wird schon jetzt diskutiert. Ende Februar kreuzen der Thurgauer Regierungsrat Walter Schönholzer und Wirtschaftsethik-Professor Florian Wettstein auf dem Podium die Klingen. Dass sich Unternehmen verantwortungsvoll verhalten sollen – ganz egal ob im In- oder Ausland – bestreitet Schönholzer nicht.

Trotzdem lehnt er die Konzernverantwortungsinitiative ab: «Ich glaube an Freiheit und Eigenverantwortung und habe grosse Mühe, dass die Unternehmen unter einen Generalverdacht gestellt werden. Die Initiative zwingt Unternehmen per Verfassung zu neuen administrativen Lasten und öffnet Tür und Tor für Klagen- und Haftungsfragen.»

Guten Ruf nicht riskieren

Die Initiative sei zwar gut gemeint, «prügle» aber sehr viele Falsche, so der Regierungsrat. Zur Frage, wie das Ziel hinter der Initiative aus seiner Sicht am besten erreicht werden könne, antwortet er: «Indem wir die konkreten Mängel anprangern. Unternehmen wollen Imageschäden unter allen Umständen vermeiden.» Schönholzer unterstützt zudem die Idee des Bundesrats, die Firmen zu verpflichten, Aspekte der Menschenrechte und der sozialen Verantwortung in den Jahresberichten zu beleuchten.

Florian Wettstein ist Mitglied des Initiativkomitees der Konzernverantwortungsinitiative. Der Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen setzt sich wie Walter Schönholzer für einen starken Wirtschaftsplatz Schweiz ein. «Und für einen, der die Menschenrechte achtet.»

Entsprechend richte sich die Initiative auch nicht gegen die vielen Schweizer Unternehmungen, die sich bereits heute vorbildlich verhalten, sondern gegen jene, die genau diesen Unternehmen das Leben schwer machen, indem sie sich nicht an dieselben Minimalstandards halten. Wettstein betont, dass die Schweiz für ihre lange humanitäre Tradition international zu Recht hohes Ansehen geniesse. «Wenn wir diesen Ruf nicht aufs Spiel setzen wollen, müssen wir handeln.»

Kirche spielt zentrale Rolle

Ende Februar organisieren die Evangelische Landeskirche Thurgau und das Tecum eine Podiumsdiskussion zur Konzernverantwortungsinitiative – unter anderem mit Jeanne Pestalozzi-Racine, Florian Wettstein und Walter Schönholzer. Geleitet wird die Diskussion von Susanne Giger, ehemalige Wirtschaftsredaktorin beim Schweizer Radio und Fernsehen und heute selbständig tätige Kommunikationsfachfrau und Verwaltungsrätin.

Auch die Kirche trage gewissermassen eine «Konzern»-Verantwortung, sagt Giger. Entsprechend befürwortet sie es, dass die Kirche das heikle Thema aufnimmt: «Sie spielt eine zentrale Rolle, dass der Dialog geführt und Denkanstösse gegeben werden, so dass die Gesellschaft dran bleibt und vorwärts kommt im verantwortungsvollen Umgang.»

Veranstaltung

 

«Pro und Kontra Konzernverantwortungsinitiative»: Mittwoch, 28. Februar, 19 Uhr, Evangelisches Begegnungszentrum Viva, Frauenfeld.

Moderiert von Susanne Giger diskutieren Walter Schönholzer, Jeanne Pestalozzi-Racine und Florian Wettstein.

 

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