Erklären Sie einem juristischen Greenhorn: Was will die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi)?
Gregor Geisser: Sie bezweckt, dass Unternehmen mit Schweizer Sitz die nötige Sorgfalt in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt auch bei Geschäften im Ausland walten lassen. Es geht um die Wahrnehmung von Verantwortung. Wenn ein Schaden an Leib und Leben entsteht, sollen Konzerne dafür geradestehen müssen. Das Ziel ist eine rechtliche Handhabe für Prävention und Wiedergutmachung.
Was bedeutet der Gegenvorschlag?
Es ist im Kern eine «Berichterstattungsvorlage» ohne wirksame Sanktionsmöglichkeit. Unternehmen müssen lediglich im Jahresbericht ihre Bemühungen in den Bereichen Menschenrechte und Umweltstandards ausweisen.
Der Gegenvorschlag beruht auf Freiwilligkeit, die Initiative will Verbindlichkeit schaffen.
Wir wollen beides. Aber es ist klar: Ohne wirksame Sanktionen gibt es keine Verhaltensänderung der Firmen. Es braucht diesen Präventiveffekt. Das zeigen Untersuchungen, gerade auch in der EU.
Und wie wollen Sie dies erreichen?
Das Herzstück der Kovi ist die Sorgfaltsprüfungspflicht. Ein Konzern muss erstens die Risiken im Bereich Menschenrechte und Umwelt abklären. Zweitens muss er Massnahmen ergreifen, um allfällige Verletzungen der Standards zu vermeiden. Werden diese missachtet, haftet der Konzern. Das alles ist nichts weiter als die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011.
Hat das volkswirtschaftliche Folgen? Die Gegner der Kovi behaupten, die Initiative treffe die kleineren und mittleren Unternehmen.
Die KMU haben nichts zu tun mit der KoVI. Diese Befürchtung ist eine reine Propaganda. Es geht um Grosskonzerne, etwa mit 250 Mitarbeitern und mehr. Als Beispiele zu nennen sind solche in der Rohstoffbranche oder auch Agrarmultis wie Syngenta. Der Kreis der angesprochenen Firmen ist überschaubar.
Warum sollen Grosskonzerne die Kovi befürworten?
Langfristig fahren sie wirtschaftlich besser, wenn sie die Standards einhalten. Der Reputationsschaden wird für sie nämlich zu teuer. Darum sind sie interessiert daran, nachhaltig zu wirtschaften. Bereits jetzt müssen die Rechtsabteilungen dieser Firmen eine Summe rechtlicher Abklärungen treffen.
Trotzdem: Wirtschaftskreise befürchten, man müsse mit einer Flut solcher Klagen rechnen.
Nein. Die Hürde für eine Klage bleibt extrem hoch. Eine geschädigte Person muss eine mit dem Schweizer Rechtssystem vertraute Rechtsvertretung engagieren. Diese muss beweisen, dass es einen Schaden gibt, dass zwischen diesem und der Geschäftstätigkeit ein Kausalzusammenhang besteht und dass der Mutterkonzern die Tochter tatsächlich kontrolliert. Das ist ein zentraler Punkt: Gehaftet wird nur dort, wo eine Kontrolle besteht. Es braucht einen Effort, um eine solche Klage anzustrengen. Im Grunde zielt die Haftung daher vor allem auf Prävention.
Gegner der Kovi sagen, hier werde mit der Moral argumentiert.
Es geht nicht um Moral, sondern um Gerechtigkeit. Und genau darin geht es um die Reputation der Schweiz. Sie gewinnt, wenn sie Verantwortung als Teil der «Schweizer Qualität» anschaut. Ich bin überzeugt, dass das viele Schweizerinnen und Schweizer ebenso sehen. Die über 300 Lokalkomitees sprechen eine deutliche Sprache.
Und die Befürworter bezeichnen den Gegenvorschlag als «Alibivorschlag» und «Scheinlösung». Harte Voten!
Das mit Recht: Die Ständeratsvorlage ist wirkungslos, unverhältnismässig und willkürlich. Wirkungslos, weil es keine Haftung und nur eine Mini-Sanktionsmöglichkeit gibt. Willkürlich, weil sie nicht über die eingeschränkten Themen Konfliktmineralien und Kinderarbeit hinausgeht. Und unverhältnismässig, weil Geschädigte und ihr Recht auf Wiedergutmachung gar nicht in den Blick kommen.