Die Beratungen in den Kommissionen waren intensiv, die Debatten in der Synode zuweilen emotional. Und am Ende ein bisschen chaotisch. So wurden zur Teilrevision der Kirchenordnung bis zuletzt Rückkommensanträge gestellt. Trotzdem verabschiedete das Parlament die Vorlage mit einer deutlichen Mehrheit.
Keine grossen Sprünge
Wer glaubte, damit hätten sich die Wogen geglättet, sah sich getäuscht. Unterlegene Synodale formierten sich mit unzufriedenen Pfarrerinnen und Pfarrern sowie Behördenmitgliedern zu einem Nein-Komitee. Ihr stärkstes Argument ist die neue Zuteilung der Pfarrstellen. Zwar entschied die Synode, dass auch die kleinste Gemeinde wenigstens eine halbe Stelle erhält. Doch Kirchenrat und Parlament bauten eine Lenkungsmassnahme ein, die Gemeinden mit mehr als 2000 Mitgliedern bevorteilt. Dahinter steckt die Annahme, dass hier besser auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen eingegangen
werden kann.
Ein neues System bringt immer Sieger und Verlierer hervor. Das lässt sich nicht einmal in der Kirche verhindern. Unbestritten ist aber, dass der neue Verteilschlüssel berechenbarer ist und grosse Sprünge verhindert. Die Gemeinden erhalten 10 Pfarrstellenprozent für 200 Mitglieder, wegen des beschlossenen Sockels nicht weniger als 50 Prozent. Die Synode entscheidet, wie gross der Spielraum des Kirchenrats für Härtefälle und Projektförderungen ist. Abgeschafft werden die Ergänzungspfarrstellen, die der Kirchenrat aufgrund von Gesuchen bewilligte. Vom befristeten Status betroffen waren oft Pfarrer und Pfarrerinnen mit Teilzeitpensen.
Energie für den Kernauftrag
Die Gegner der Vorlage sorgen sich insbesondere um kleine Gemeinden. Sie befürchten, dass die Pfarrstellenzuteilung den Fusionsdruck erhöht. Ihnen geht es nicht nur um Besitzstandwahrung, sondern um die ehrliche Sorge, dass die Überschaubarkeit und das Gemeindeleben gefährdet sind.
Hier steht der Kirchenrat in der Pflicht, Vertrauen zu schaffen und das Versprechen einzulösen, dass die Bereinigung der Strukturen Verwaltungsballast abwirft und Energie freisetzt für den Auftrag der Kirche: Nähe zu den Menschen und Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat.
Die Teilrevision reagiert zwar auf die Strukturreform, indem sie zum Beispiel das Amt des Kirchgemeindeschreibers als professionelle Unterstützung von Kirchenpflegen in grösseren Gemeinden ermöglicht. Der Urnengang ist trotzdem keine Abstimmung über Fusionen. Darüber entscheiden die Gemeinden. Mit der Stadt Zürich ist die grösste Gemeinde, die sich auf demokratischem Weg zur Fusion entschlossen hat, jedoch auf die Teilrevision angewiesen.
Nicht einfach abwimmeln
Insgesamt will die Kirche mit den neuen und angepassten Artikeln stärker auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Taufgottesdienste dürfen in begründeten Fällen ausserhalb des Gemeindegottesdienstes gefeiert werden. Hochzeitspaare oder Hinterbliebene, die sich eine Feier ausserhalb der Kirche wünschen, können nicht mehr mit dem Hinweis abgewiesen werden, dass eine Hochzeit oder Abdankung «in der Regel» in der Kirche stattzufinden habe.
Weiterhin liegt es in der theologischen Verantwortung der Pfarrer und Pfarrerinnen, dass die Feiern nicht zum spirituell angehauchten Wunschkonzert verkommen. Nur: Das gilt auch für Hochzeiten in der Kirche. Und ein reformierter Gottesdienst bleibt ein Gottesdienst, egal ob er am See oder auf dem Berg gefeiert wird, im Wald oder in der Tiefgarage.
Das Kirchenmitglied in den Fokus nimmt die Synode auch mit ihrem neu in die Kirchenordnung eingearbeiteten Wunsch, dass «reformiert.» in allen Gemeinden kostenlos verschickt wird und so die Leserinnen und Leser entscheiden, ob sie die Zeitung im Briefkasten wollen oder nicht. Bisher lag die Kompetenz bei den Kirchenpflegen. Die überwiegende Mehrheit entschied sich bereits bisher für «reformiert.».