Hingabe beschreibt das Gefühl am besten, das zurückbleibt, wenn der letzte Ton des Albums «Jarak Qaribak» verklingt. Die neun Liebeslieder erzählen davon. Von Hingabe ist auch die Haltung von Dudu Tassa und Jonny Greenwood geprägt, mit der sie der Musik Raum geben.
Das Trotzdem der Liebe
Der israelische Rockmusiker Dudu Tassa und der britische Gitarrist Jonny Greenwood haben ein wundervolles Album eingespielt. Der Hetze zum Trotz feiern sie die gute Nachbarschaft.
Hingabe und Präsenz
Greenwood ist Gitarrist bei der britischen Kunstrockband Radiohead. Er hat schon mit indischen Musikern gearbeitet, experimentelle oder bombastische Soundtracks komponiert und Orchestermusik arrangiert. Immer stellt er sich ganz in den Dienst der Musik und bleibt dennoch als Künstler präsent. Diesmal setzte er sich intensiv mit den arabischen Harmonien auseinander. Er ergänzt sie mit seinen behutsam hingetupften, unverkennbaren Gitarrenakkorden oder den hallenden Beats, die er programmiert.
Tassa ist ein israelischer Popstar, der gemeinsam mit Greenwood die Songs arrangiert und begleitet hat. Nur ein Lied («Lhla Yzid Ikthar») singt er selbst. Alle anderen Auftritte überlässt er Sängerinnen und Sängern aus Syrien und Marokko, Irak und Libanon, Ägypten und den palästinensischen Gebieten.
Bürokratische Hürden
Jeder Musiker, jede Musikerin singt ein Lied aus einem Nachbarland. So ergibt sich ein vom Radiohead-Dirigenten Nigel Godrich klug und behutsam produziertes Geflecht aus einer reichen Musiktradition. Aufgenommen wurden die Stimmen oft in den Städten, in denen die Sängerinnen und Sänger zu Hause sind oder wohin sie flüchten mussten: Beirut, Dubai, Kairo, Ramallah.
Den irakischen Musiker Karrer Alsaedi holte Tassa nach Tel Aviv. Ein Visum zu organisieren, war ein bürokratischer Kraftakt. Mit dem Irak ist Dudu Tassa besonders verbunden. Seine Mutter stammt aus Bagdad und emigrierte nach Israel. Sein Vater stammt aus dem Jemen.
Das Erbe des Grossvaters
Erst spät entdeckte Tassa in der Musik seine eigenen Wurzeln. Sie gehen tief und sind schillernd: Grossvater und Grossonkel zählten in der arabischen Welt zu den populärsten Musikern ihrer Zeit. Auch nach ihrer Auswanderung nach Israel wurden die Lieder der jüdischen Brüder, die 1908 und 1910 in Kuwait geboren wurden, im Radio gespielt. Erst der irakische Diktator Saddam Hussein verbot ihre Musik.
Dudu Tassa pflegt heute das musikalische Familienerbe und spielt das Werk von Daoud und Saleh Al-Kuwaity mit seiner Band the Kuwaitis Cover. Mit Greenwood, der mit der israelischen Künstlerin Sharona Katan verheiratet ist, erweitert er nun seine Entdeckungsreise in die arabische Musik um eine mit jedem Ton berührende Etappe.
Kunst ist politisch
Das Duo wollte mit seinem Album «nicht den Eindruck erwecken, eine politische Position zu vertreten», sagte Greenwood in einem Interview. Aber er verstehe, dass in diesem Teil der Welt jede Handlung politisch sei, selbst wenn es sich um ein reines Kunstprojekt handle. «Vielleicht sogar besonders, wenn es künstlerisch ist», sagt der Multiinstrumentalist.
Veröffentlicht wurde «Jarak Qaribak» im Sommer und damit vor dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober. Greenwoods Aussage gilt in den Zeiten des Krieges umso mehr. Das Album, dessen Titel übersetzt «Dein Nachbar ist dein Freund» bedeutet, ist ein musikalisches Friedenslicht. Es widersetzt sich allen Boykottaufrufen und setzt der Hetze und Spaltung die Kunst und das Trotzdem der Liebe entgegen.
Seine Leuchtkraft schöpft das Friedensfeuer aus der Hingabe aller Musikerinnen und Musiker. Niemand spielt sich in den Vordergrund. Im Zentrum leuchtet das Verbindende der Musik.