Recherche 16. November 2018, von Noemi Schürmann

Vom Priestertum aller Rapper

Kultur

In der Woche der Religionen diskutierten Rap-Pionier Black Tiger und die türkisch-baslerische Rapcrew Makale über Migration, Religion, Identität und Rap.

Die Diskussion, die im Rahmen der «Woche der Religionen» stattfand, provozierte mit dem Titel: «Ist Rap haram?», also der Frage nach der Verträglichkeit mit dem Islam. Rap provoziert und gerät oft in die Schlagzeilen. Auch der Islam ist in den Medien ein Dauerthema. An diesem Abend soll aber nicht eine weitere Islamdebatte geführt werden: Vielmehr diskutieren Muslime mit anderen Religionsangehörigen über Hiphop, zu dem der Rap gehört, Identität und Migration.

Nicht von der Kanzel herab

Rap «zeigt der Gesellschaft oft den Mittelfinger und macht auf Unzufriedenheit und Ungerechtigkeit aufmerksam», meint der Basler Urs Baur, aka Black Tiger, der als Erster 1991 auf Schweizerdeutsch rappte. Gleichzeitig transportierten Rapper auch Vorstellungen und Werte. Nicht umsonst würden sie in der Hiphop-Szene MCs, Masters of Ceremonies, genannt. «Seid ihr jetzt die neuen Priester unserer Gesellschaft?», fragt David Atwood, Koordinator für Religionsfragen im Kanton Basel-Stadt.

Die Rapper erkennen Parallelen zu Pfarrern und Priestern. Marco Snaidero, DJ der Rapcrew Makale, erzählt, wie die Menschen zu einer Masse werden und er sie «leiten kann», wenn er auflegt. Die Rapper waren sich einig, dass Hiphop-Festivals Ähnlichkeiten mit Worship-Anlässen von Megachurches haben, etwa wenn das Publikum die Arme in die Luft reckt, und andächtig und erwartungsvoll dem Künstler entgegenfiebert. Trotzdem sieht sich Black Tiger weniger als Prediger «von der Kanzel herab»: «Im Rap gibt es keine Hierarchie, ich teile einfach meinen eigenen Blickwinkel.»

Gesellschaftliche Verantwortung

Die gesellschaftliche Verantwortung des Raps, wie auch der Religion, liege darin, dass er ein Bild davon vermittle, «wer wir sind und was wir machen sollten», sagt Black Tiger. Er macht sich in seinen Texten Gedanken über den Sinn des Lebens und fragt sich: «Was will ich auf der Bühne erzählen und weitergeben?» Dass der «Gangsterrap» das kriminelle Leben hochstilisiere, erlebt der Basler Rapper in seiner Arbeit als Psychologe als Problem: Die jugendlichen Straftäter, mit denen er Workshops gemacht habe, nähmen die Texte, die von Gewalt, Sex, Drogen und schnellem Geld handeln, zum Vorbild.

«Ihr lueget immer so bös, drby sind ihr doch so lieb», meinte die Mutter eines Rappers zu einem Musikvideo. Im Rap gehe es vor allem darum, sich etwas erkämpfen zu können, «sich musikalisch mit anderen Künstlern zu messen, sich deren Respekt zu verdienen», so die Basler Rapper. In diesem Sinn sei der etwas kriegerisch anmutende Name «Kombat» gemeint, unter dem Black Tiger und Makale zusammen rappen. Es ist ihnen wichtig, eigene Werte zu kommunizieren und Grenzen zu respektieren, die andere Rapper im Namen der Kunstfreiheit überschreiten würden.

Hiphop und Migration

Hiphop wurde in Europa von Migranten in den Banlieues und den sozialen Brennpunkten der Metropolen weiterentwickelt. «Hiphop gehört zur Migrationsgeschichte wie die Schweizer Volksmusik zum Kanton Appenzell», so David Atwood. «Hiphop und Rap schaffen Identitäten.» Dem stimmen die Rapper sofort zu, zumal dies in den letzten Jahren noch wichtiger geworden sei. «Aufgrund der nationalen und religiösen Aufbrüche spielen Herkunft und Religion heute im Rap eine grosse Rolle», meint Black Tiger. In den 80er-Jahren sei das viel weniger ein Thema gewesen.

Doch es gibt auch das andere: Die Basler Rapper sehen Hiphop als Schmelztiegel, in dem man sich neu erfinden könne. Der erste gemeinsame baseldeutsch-türkische Song von Kombat handelt davon, dass sich ihre verschiedenen Kulturen und Religionen bestens vertragen. «Mi City» erzählt von den unterschiedlichsten Menschen, die alle von Basel geprägt sind und zusammengehören. So erscheint Rap wiederum als Kollektiv – vielleicht doch ähnlich einer Glaubensgemeinschaft?

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