Ajatollah Khomeini hielt Musik für eine Droge. Der Führer der Islamischen Revolution hätte sie am liebsten «komplett eliminiert». Deshalb durften im iranischen Radio und Fernsehen nach 1979 nur noch propagandistische und religiöse Lieder gespielt werden. In den Dörfern soll es zu Razzien gekommen sein, bei denen Instrumente zerstört wurden.
Musik der Freiheit
Viele Musikerinnen und Musiker im Iran unterstützen den Aufstand gegen das Regime. Vor der Kunst hatten die Mullahs seit jeher Angst.
Im Schatten aufgeblüht
Alle Gewalt vermochte die reiche Tradition der persischen und iranischen Musik jedoch nicht zu zerstören. Und um die Jahrtausendwende blühte die Musikszene hinter verschlossenen Türen auf, das Internet ermöglichte den Austausch.
Einer der unbeugsamen Musiker ist Mehdi Rajabian. Letztes Jahr veröffentlichte er mit «It Arrives» ein wunderbar schillerndes Album, das im persischen Liedgut wurzelt und den Geist der Freiheit atmet.
Vernetzt im Hausarrest
Digital mit anderen Musikern vernetzt nahm Rajabian seine Platte unter Hausarrest auf. Weil er auch auf weibliche Stimmen setzte, wurde er 2013 erstmals verhaftet. Drei Jahre verbrachte er im berüchtigten Evin-Gefängnis für politische Gefangene im Norden von Teheran.
Dem «Spiegel» sagte Rajabian im Dezember 2020, für ihn sei Musik existenziell, selbst wenn sie als Verbrechen gelte: «Schweige ich, hat das Regime gewonnen.» Plan der Mullahs sei, ihn sozial zu vernichten. «Aber keine Musik zu machen, wäre für mich ein Todesurteil.»
Kämpfen bis in den Tod
Sein Leben riskiert für die Musik und den Aufstand gegen den Unrechtsstaat hat jüngst Toomaj Salehi. «Frauen, Leben, Freiheit, wir kämpfen bis zum Tod», rappt er über souverän arrangierten Beats, Handyaufnahmen zeigen ihn inmitten der Proteste im Iran.
Der 33-jährige Musiker wurde im Oktober verhaftet und in einem Gefängnis in Isfahan brutal gefoltert. Gemäss seinem Onkel, der in Deutschland im Exil lebt und der NZZ Auskunft gab, verlor Salehi für Wochen sein Augenlicht, weil er derart heftig geschlagen wurde.
Seit Beginn der Proteste, die seit dem Tod der Kurdin Mahsa Amini im September anhalten, wurden laut Menschenrechtsaktivisten 18 000 Personen verhaftet. Mehr als rohe Gewalt scheint dem Regime als Antwort auf die Freiheitsbewegung nicht einzufallen. Stark unter Druck gerät dabei die junge Musikszene, die sich mit pulsierender Kreativität im Untergrund etabliert hat.
Die neue Revolution
Aus der Ferne versucht die Sängerin Liraz Charhi die Protestierenden zu unterstützen. Ihre jüdischen Eltern sind aus dem Iran nach Israel emigriert. Ihr durchdacht arrangiertes Album «Roya» nahm sie auf Farsi und nicht mehr auf Hebräisch auf.
«Wie lange werden wir noch ruhig sein, unseren Kopf gesenkt halten, unsere Knie gebeugt?», singt sie. Die Songs der israelischen Sängerin wurden zum Soundtrack der neuen Revolution.