Zum Sommer gibt es sonst eher leichte Hits. Warum heisst es bei Ihnen «Itz mau Apokalypse»?
Simon Jäggi: Es handelt sich ja um die Übersetzung des Filmtitels «Apocalypse now», der aber auf Berndeutsch die Tragweite des Begriffs bricht: «Itz mau» klingt nicht mehr sehr dringlich. Und es tönt die Ironie an. Letztlich ist es auch bloss ein Titel für ein paar Lieder, die zusammengehalten werden müssen.
Warum aber muss das schreckliche Weltende drin vorkommen?
Es geht schon ums Zusammenbrechen, jedoch von eher kleinen Welten, die aus den Fugen geraten. Am Ende stehen Neuanfänge im Zentrum – und die funktionieren nur, wenn man etwas zu Grunde reitet.
Mit dem neuen Album ist Ihnen das offenbar selbst passiert: Erst wollten Sie reduzierte Musik machen, nun spielt ein Orchester mit.
So gesehen sind wir grandios gescheitert. Jedoch mitten in den Überlegungen für ein neues Album wurden wir vom Dirigenten des Orchesters Variaton angefragt. Das war so überzeugend, dass wir nicht widerstehen konnten, neue Stücke mit ihm umzusetzen.
Sie schreiben in den Liedern vom Nachtclub Dead-End bei der Notschlafstelle Sleeper, vom «letschte Mönsch» auf dem Bahnhof-, Bundes- und Rathausplatz. Ist darin viel Persönliches?
Interessant am Songschreiben finde ich, dass ich nicht deklarieren muss, wie viel Fiktion und wie viel Realität drinsteckt. Aber das kann ich schon sagen: Hier findet man von den bisherigen Werken schon am meisten von mir selbst drin, daher liegt mir dieses Album am meisten von allen am Herzen. Ich schrieb vor allem für mich. Es geht fast durchwegs um Helden, von denen niemand wahrnimmt, dass es Helden sind, wie etwa der «Dänu vo dr Fischtheke». Ich mag diese Typen– und überhaupt Geschichten vom Scheitern. Uns war von Beginn weg klar, dass es ein eher unzugängliches Album wird. Zwar ist es einem nie ganz egal, wie die Reaktionen ausfallen – da würde ich kokettieren. Aber es kümmerte uns tatsächlich noch nie so wenig wie bei diesem neuen Werk.
Dunkles pflegen die Kummerbuben seit ihren Anfängen. Warum?
Wir sind eigentlich alle heitere Gemüter. Aber vermutlich präge ich den Charakter schon. Wer schreibt oder malt oder Musik macht, hat meist ein Thema, bei dem der Prozess zum Fliessen kommt. Bei mir sind da halt rasch Abgründe und giftige Pfützen in der Nähe. Doch spannend finde ich schliesslich Gegensätze – auch in unseren Liedern gibt es Licht und Vergnügen.
Trotzdem scheint es, dass sich die Figuren der Texte und vermutlich auch Sie selbst grossen Mächten ausgeliefert sehen. Ist das so?
Das Thema interessiert mich schon. Gewaltige Kräfte können grundsätzlich überall sein, selbst im Kleinen, Persönlichen: Liebe, Triebe, Gefühle, unsere Herkunft, die wir nicht einfach auflösen können. Und im Grossen müssen wir uns allmählich wohl von der Vorstellung verabschieden, wir hätten wirklich Entscheidungsfreiheit und wären völlig souverän und eigenständig.
Was steuert denn das Ganze?
Ich habe in den Ferien das Buch «Homo Deus» vom israelischen Historiker Yuval Noah Harari gelesen. Das steckt mir noch etwas in den Knochen. Wir Menschen sind daran, uns selbst zum Schöpfer zu machen und Menschen zu designen. Dabei laufen wir Gefahr, uns selbst auszuhebeln und nutzlos zu machen. Aber zurück zu Ihrer Frage: Wenn ich an etwas glaube, dann wohl am ehesten an die Naturwissenschaften. Aber selbst hier müssen wir uns eingestehen: Wozu das alles, und wie alles begann – dafür liefern auch die Naturwissenschaften keine Antworten.