Die Wutwelle schwappt über in zahlreichen Leserkommentaren zu Beiträgen über den Krieg in der Ukraine. Nebst seinem Präsidenten wird oft das ganze russische Volk als rückständig, brutal oder hinterwäldlerisch bezeichnet. Vereinzelt lassen in der aufgeheizten Stimmung auch Medien grundlegende Regeln ausser Acht. So publizierte etwa eine Pendlerzeitung unter dem Titel «Ukraine zeigt Bilder von Butscha-Tätern» zwei von der Ukraine gelieferte Fotos von Russen mit ausgeschriebenen Namen (hier nur die Initialen): «Gesucht: W. K.» und «Hat N. A. getötet?». Persönlichkeitsschutz und Unschuldsvermutung? In diesem Fall störte es kaum jemanden.
Blind für die Grautöne
Vielen scheint klar zu sein: Böse sind «die Russen» und ihre «Putin-Versteher». Gut sind die Ukrainer und all jene, die Waffen liefern. Achtsamkeit in der Sprache ist kaum gefragt. Leserinnen und Leser, die in den Kommentarspalten die Schwarz-Weiss-Malerei kritisieren und mahnen, dass Menschen gegeneinander aufgebracht würden, statt sie zueinanderzuführen, werden downgevotet.
Klar sind heftige Emotionen verständlich angesichts der Informationen, die wir rund um den Krieg erhalten. Doch diese Wut ungefiltert zu publizieren, kann sich fatal auswirken, bis hin zu politischen Kurzschlüssen. Erstens sind alle Informationen Teil des Krieges – nicht nur die krasse russische Propaganda, sondern die aller Beteiligten. Je weniger journalistisch arbeitende Menschen vor Ort berichten, desto weniger verlässliche Informationen gibt es.