Meinung 16. April 2022, von Felix Reich

Und dennoch wird es Ostern

Kommentar

Der Glaube daran, dass die Spirale der Gewalt gestoppt werden, fällt unendlich schwer. So schwer, wie den Jüngern der Glaube fiel, dass am Kreuz nicht alle Hoffnung gestorben war.

Es ist Karfreitag. Kreuze werfen ihre Schatten. In der Ukraine werden die Opfer der gewalttätigen Grossmachtfantasien zu Grabe getragen. Das Unrecht des Stärkeren regiert. Und selbst wenn die Gewalt irgendwann verebbt, bleiben Wunden zurück. Zerbombte Städte, ausgelöschte Leben, entwurzelte Menschen.

In Zeiten des Krieges erhält die Passionsgeschichte, wie sie die Evangelien erzählen, erschreckende Aktualität. Sie berichtet vom ohnmächtigen Versuch, die Spirale der Gewalt zu stoppen, und vom Verzweiflungsschrei der gottverlassenen Opfer.

Der Glaube, dass am Kreuz nicht alle Hoffnung gestorben war, fiel damals jenen unendlich schwer, die mit Jesus unterwegs waren. Ebenso schwer fällt heute wohl der Glaube, dass dieser so grausame wie sinnlose Krieg bald zu Ende geht und Versöhnung möglich wird. Der Weg zu einem gerechten Frieden scheint verbarrikadiert.

Der verwundete Gott

Und dennoch wird es Ostern. Den Auferstandenen erkennen die Jüngerinnen und Jünger an seinen Wunden. Die Spuren der Gewalt lassen sich nicht tilgen. Sie bleiben. Aber der verwundete Gott überwindet mit seiner Liebe die Barrikaden der Furcht. Die Mauern werden durchlässig in den dunklen Stunden der Angst: «Jesus kam, obwohl die Türen verschlossen waren, und er trat in ihre Mitte und sprach: Friede sei mit euch» (Joh 20,26).

Ist dieser Glaube naiv? Frommes Geschwätz? Nein. Naiv ist vielmehr der Glaube, dass sich der Freiheitswille der Menschen mit Gewalt dauerhaft brechen lässt. Und dass Macht auf Repression und Propaganda aufgebaut werden darf, ist dummes Geschwätz.  

«Er ist wahrhaftig auferstanden!»: Der Osterruf, der in den Kirchen erklingt und die Christenheit über alle Zeiten und Grenzen hinweg verbindet, ist ein Friedensruf. Er steht für die Gewissheit, dass Friede und Freiheit der unmenschlichen Kriegslogik zum Trotz das einzig Vernünftige sind.

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