In gut zwei Monaten findet die Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) statt. Die Angst ist gross, dass die Spitze der russisch-orthodoxen Kirche, die dem Rat angehört, das ökumenische Gipfeltreffen für ihre Kriegspropaganda nutzen wird. Insbesondere der Patriarch Kyrill hat den Angriff auf die Ukraine theologisch gerechtfertigt.
Synode fordert Konfrontation mit Moskau
Der Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche aus dem ÖRK soll geprüft werden. Das fordert die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz nach einer engagierten Debatte.
Genug geredet
Kyrills Position widerspreche allem, was das Evangelium sage, sagte der Zürcher Kirchenratspräsident Michel Müller. Er reichte eine Motion ein, die verlangte, dass die «Suspendierung oder allenfalls gar den Ausschluss» der russisch-orthodoxen Kirche aus dem ÖRK geprüft werde. «Geredet wurde genug, jetzt braucht es Konsequenzen», sagte Müller.
Tatsächlich ist es dem ÖRK nicht gelungen, Kyrill als Friedensstifter einzusetzen. Im Gegenteil: Nach kurzem Schweigen hat er das Narrativ von der russischen Welt wiederbelebt und die Kriegsrhetorik befeuert. Allerdings bezahlt Kyrill zusehends einen hohen Preis für seine Treue zu Präsident Wladimir Putin. Die Ukrainische Orthodoxe Kirche, die dem Moskauer Patriarchat untersteht, hat ihre Unabhängigkeit ausgerufen. Der Metropolit Mark Arndt von der russisch-orthodoxen Kirche im Ausland bezeichnete jüngst den Krieg in der Ukraine als ein Verbrechen.
Verlust an Glaubwürdigkeit
Auf diese Absetzbewegungen machten Theologinnen und Theologen der Universitäten Basel, Bern und Zürich aufmerksam. In einem Brief an die Synode und den Rat der EKS zeigten sie sich «beunruhigt, dass ein Mitglied des ÖRK diesen Krieg theologisch und ideologisch befürwortet». Mit seinem Festhalten an «Kyrill und seiner Entourage» riskiere der Weltkirchenrat «einen massiven internationalen Verlust der Glaubwürdigkeit». Die Theologinnen und Theologen riefen die EKS dazu auf, das Moskauer Patriarchat zur Rede zu stellen und entsprechende Massnahmen vorzubereiten.
Für Florian Fischer von der Luzerner Kirche war die Motion das richtige Instrument, solche Schritte vorzubereiten. Er zeigte sich zwar skeptisch, ob ein Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche der richtige Weg sei. «Aber mit dem Auftrag zur Prüfung stossen wir die nötige Debatte im Zentralausschuss des ÖRK an.»
Bündnis mit der Opposition
EKS-Präsidentin Rita Famos hatte zuvor ausdrücklich vor einem Ausschluss des Moskauer Patriarchats gewarnt. Sie verwies auf die Opposition innerhalb der orthodoxen Kirche. So stellten sich einige Priester ihrem Patriarchen mutig entgegen, indem sie ihn kritisierten. «Mit dem Antrag auf Ausschluss oder Suspendierung würden wir auch sie im Stich lassen.»
Famos plädierte dafür, im ÖRK darauf zu drängen, dass auch eine ukrainische Delegation nach Karlsruhe eingeladen wird. Denn es gebe keine Zweifel daran, dass die theologisch verbrämte Kriegsrhetorik des Moskauer Patriarchen für die Ökumene «unerträglich und belastend» sei. Gerade deshalb müsse es die EKS den internen Kritikern gleichtun und sich eben gerade nicht abkehren von der gesamten russisch-orthodoxen Kirche. «Verbünden wir uns mit den Kräften des Widerstandes innerhalb und ausserhalb der Kirche und bieten wir dem Patriarchen und seinen Ideologen die Stirn», forderte Famos.
Zurückhaltend formuliert
Ihr Aufruf verhallte nicht ungehört, und dennoch folgte die Synode ihrem Antrag nicht. Michel Müller anerkannte explizit die Argumentation von Rita Famos. Er verwies aber darauf, dass erst seine Motion die Debatte in Gang gebracht hat. Und deshalb brauche es eben auch auf Ebene des ÖRK den Auftrag zur Prüfung der Suspendierung oder des Ausschlusses der russisch-orthodoxen Kirche. «Damit nicht einfach weitergeredet werden kann, sondern klar ist, worüber verhandelt wird», sagte Müller.
Nach einer engagierten und zugleich differenzierten Debatte überwies die Synode die Motion. 44 Synodale stimmten dafür, 29 dagegen, hinzu kamen drei Enthaltungen. Damit erhält Serge Fornerod, der die EKS im Zentralausschuss des ÖRK vertritt, nicht nur den Auftrag vom Rat, sich für die Einladung einer ukrainischen Delegation einzusetzen. Er wird von der Synode auch mit der Aufgabe betraut, die Frage einer Konfrontation mit Moskau aufzuwerfen. Indem die Motion lediglich die Prüfung einer Suspendierung fordert, ist sie allerdings zurückhaltend formuliert und eröffnet dem Rat den entsprechenden Spielraum.
Gotteslästerliche Ideologie
Bisher hat keine Mitgliedkirche des ÖRK einen Antrag auf Suspendierung oder einen Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche gestellt. Allerdings hatten namhafte Theologinnen und Ökumeniker in einem offenen Brief von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) einen solchen Schritt gefordert.
Auf diesen Vorstoss berufen sich die Schweizer Theologinnen und Theologen in ihrem Brief explizit. Die bei der EKD für Auslandbeziehungen und die Ökumene zuständige Bischöfin Petra Bosse-Huber lehnte die Forderung ab und warnte «vor einer pauschalen Wahrnehmung der russischen Orthodoxie und deren Einordnung in ein uniformes Feindbild». Freilich verurteilte auch sie Kyrills «gotteslästerliche Ideologie».