Es sind noch keine 12 Monate her, als ich mich auf Twitter und Instagram registriert und mit etwas Herzklopfen meine Accounts auf öffentlich gestellt habe. Es war meine Eintittskarte in eine mir unbekannte «Kirchenwelt» und damit der Beginn einer faszinierenden Reise. Tönt schwülstig – passt aber perfekt!
Fangen wir jedoch vorne an.
Bis 32 keine Zeit für Social Media
Mit meinen 33 Jahren bin ich gut vertraut mit Computern, Internet und den digitalen Möglichkeiten. Facebook, WhatsApp, Snapchat und Co kannte ich. Doch für mich selbst sah ich lange keinen Nutzen darin, mich mit anderen auf einer Social Media-Plattform zu tummeln. Ich hatte einfach keine Zeit dafür. Oder anders gesagt, ich wollte mir die Zeit nicht nehmen und stattdessen in echte Kontakte und Beziehungen investieren.
Ich gebe zu, auch ich hatte meine Vorurteile bezüglich sozialer Netzwerke. Hinzu kam, dass es meine Konfirmand*innen schon unerhört fanden, dass ich als Pfarrerin überhaupt ein Smartphone besass und damit beispielsweise Fotos für die Konfirmation machte. Auch mein selbstverständlicher Umgang mit Beamer und Laptop wurde «gwundrig» von den Jugendlichen beäugt, was mir einiges über ihre Vorstellungen von einer Pfarrperson verriet.
Was? Nur acht Jahre älter?
«Was? Sie sind nur acht Jahre älter als ich?» Den Gesichtsausdruck des Schülers, der diese Frage stellte, werde ich nie vergessen. Gut, mittlerweile passt diese Aussage nicht mehr. Im Gegensatz zu den Konfirmand*innen bin ich älter geworden. Es zeigt aber, dass in digitaler Hinsicht absolut nichts von mir erwartet wurde. Also machte ich es mir «hinter dem Mond» gemütlich.
Leider, wie ich heute feststellen muss. Was hätte ich damals im Vollzeitpfarramt für den regen Austausch zwischen Pfarrer*innen auf Twitter gegeben, wenn mir wieder einmal die Initialzündung für die Predigt oder ein Filmtipp für den Unterricht gefehlt hat. Wie hätte es mir gutgetan, nach einer anstrengenden Arbeitswoche selber innezuhalten und mir vom Küchentisch aus eine spirituelle Auszeit zu nehmen!
Durch Pandemie aus der Komfortzone katapultiert
Ja, ich habe einiges verpasst. Es musste erst eine Pandemie kommen, die mich aus meiner Komfortzone herauskatapultierte, weil ich meine Arbeit nicht mehr wie gewohnt wahrnehmen konnte und meine Vertretungseinsätze ersatzlos gestrichen wurden. Obwohl mich mein zweijähriger Sohn ununterbrochen auf Trab hält, sehnte ich mich plötzlich, wie viele andere auch, nach einer neuen Form von Kirche und kirchlichem Leben. Einer, die trotz Lockdown stattfinden konnte.
Der Einstieg in diese Art von Kirche war wie zu erwarten holprig. Obschon ich mich kaum an die Zeit ohne Computer und Internet erinnern kann, musste ich mich zuerst mit der Funktionsweise und den Gepflogenheiten der jeweiligen Plattform vertraut machen. Total ins Schwitzen kam ich, als eine Bekannte aus dem echten Leben auf mein Twitter-Profil stiess und eine Folgeempfehlung abgab: Das Smartphone piepte ununterbrochen und zeigte neue Follower, irgendwelche Herzchen oder Antworten an, die wiederum mindestens mit einem Herzchen erwidert werden mussten. Überforderung pur. Glücklicherweise legte sich dieses Gefühl von Reizüberflutung schnell und eine gewisse Routine stellte sich ein.
Für Inspiration und Diskussion – über viele Grenzen hinweg
Aus meinem Alltag wegzudenken ist die digitale Kirche mittlerweile nicht mehr. Auch wenn das kirchliche Leben irgendwann wieder «normal» stattfinden wird, werde ich mich weiterhin um das Miteinander von analoger und digitaler Kirche einsetzen. Dafür sind die Möglichkeiten und das daraus resultierende Potenzial zu gross. Und ich möchte es auch nicht mehr missen, mich täglich auf unterschiedliche Weise inspirieren zu lassen, selbst aktiv zu werden, mitzudiskutieren, meinem Glauben im privaten Alltag mehr Platz einzuräumen und Bekanntschaften über Kantons- und Landesgrenzen hinweg zu pflegen.
Deshalb freut es mich, dass ich Sie in den kommenden Monaten hier mit auf Entdeckungsreise nehmen darf. Ich werde nicht nur verschiedene Formate vorstellen, sondern auch offen über die Licht- und Schattenseiten der Kirche im digitalen Raum berichten. Natürlich immer auf der Grundlage meiner eigenen Erfahrungen.
Falls ich Sie «gluschtig» gemacht habe und Sie mit Entdecken nicht bis zum nächsten Beitrag warten möchten, habe ich folgende Empfehlungen für Sie: