Spezial 21. September 2021, von Yvonne Witschi-Minder

«Piep, piep!» - Gott im Smartphone in drei ausgewählten Apps

Serie Kirche digital

Die drei Apps «from …», «XRCS» und «3:33 WEILER» bringen in unterschiedlicher Weise christliche Spiritualität aufs Handy. Nicht alle gleich gut, findet Yvonne Witschi-Minder.

Mittlerweile gibt es für fast alles eine App. Die nützlichen «Alltagshelfer» sind in der Hosentasche jederzeit griffbereit – sofern genügend Akku vorhanden ist. Wen wundert es also, dass sich selbst Gott ins Smartphone holen lässt?! Schaut man sich etwas im App-Store um, findet man sehr schnell sehr viel im Bereich «Kirche und Glaube»: Spiele, Kirchenführer, Bibelleseprogramme, Veranstaltungskalender usw. Legt man dabei den Fokus auf die Themen «Gebet», «Meditation» und «Spiritualität», lässt sich so manches App-Angebot entdecken.

Entdecken Sie Neues beim Blog «Kirche digital»

Im Internet und in den sozialen Medien sind zahllose spannende Perlen von Kirche «in Digital» zu entdecken. Die Pfarrerin Yvonne Witschi aus Thun macht diese Erfahrung ständig aufs Neue. Nun stellt sie ihre Entdeckungen in der Serie «Kirche digital» monatlich vor. Ihre Profile auf Instagram und Twitter:

https://www.instagram.com/witschiyvonne/

https://twitter.com/YvonneWitschi

Die Nachfrage nach Ruhe und persönlicher Einkehr im oft hektischen Tagesverlauf ist eindeutig da. Als Mutter eines Kleinkindes muss ich zugeben, dass fixe Zeiten für Gebet und Bibellektüre doch etwas utopisch erscheinen oder sich lediglich in den frühen Morgenstunden oder spät abends umsetzen lassen. Bewusstes Innehalten während des Tages, welches ich persönlich sehr schätze, ist bei mir definitiv ein rares Gut geworden.

Wenn sich diese «Leerstelle» durch eine App füllen lässt, die mich in meinem Alltag kurz unterbricht, scheint mir das eine äusserst willkommene Möglichkeit zu sein. Also startete ich einen kleinen Selbstversuch und machte mich im App-Store auf die Suche nach einem passenden «Werkzeug».

Von «kostenlos» über «Einmalzahlung» bis hin zu «Monats- oder Jahresabo» ist alles vertreten. Wobei mich letzteres als reformierte Pfarrerin doch etwas stutzig werden lässt: Ist das die moderne Form des Ablasses...? Wohl kaum. Es gehört in der heutigen Zeit anscheinend dazu. Denn was nichts kostet, ist bekanntlich nichts wert. Trotzdem wollte ich in keine Ablassfalle – ach nein, Abofalle treten. Deshalb wählte ich bewusst drei kostenlose Apps aus, die einen landeskirchlichen Hintergrund besitzen.


Die App «from …» ist ein Gemeinschaftswerk des Reformierten Bundes in Deutschland und der Reformierten Kirche Zürich. Im Store wird sie folgendermassen beschrieben (kleiner Auszug):

  • «from … lädt ein zur Spurensuche, zu Überraschungen und Selbstfindungen.
  • from … lädt ein zum Bibellesen, Liedersingen, Mitbeten. Aber auch zu entdecken, wo Frömmigkeit Folgen hat: in Literatur, Satire, Kunst.
  • Mit from … lassen sich Sitzungen einleiten, Tagungen beenden, Gottesdienste gestalten, Bildungsanlässe alimentieren.
  • from … bleibt bei einem, wenn man einsam im Zug sitzt, gelangweilt Zeit überbrücken muss, krank im Spital liegt.
  • from … beteiligt Userinnen und User, strebt eine virtuelle Community an, in der viele auf gegenwärtige Art und in ihrem Tempo fromm sein können, no matter where they are from.»

Für mich hört sich der Inhalt vielversprechend an, weshalb ich die App gespannt herunterlade und sofort öffne. Die Startseite ist schlicht und übersichtlich gestaltet. Die Symbole lassen bereits erahnen, worum es in den einzelnen Beiträgen geht. Während ich mich zuerst noch top motiviert durch die Rubriken klicke, lässt mein Interesse sehr schnell nach und eine gewisse Enttäuschung macht sich bemerkbar.

Die App ist definitiv nicht das, was ich für meinen Glaubensalltag suche. Es werden lediglich Bilder, Texte, Karikaturen und Gedanken zur Verfügung gestellt. Ich persönlich fühle mich damit etwas «alleingelassen». Was will mir ein Bild, das Schweinefüsse zeigt, sagen? Und was soll ich mit einer Karikatur zu den Impfgegnern anfangen? Da stellt sich bei mir definitiv keine Besinnlichkeit ein!

Nicht für eine müde Mutter

Die Fragen und Impulse sind teilweise hoch theologisch und nicht unbedingt für eine müde Mutter gedacht, die einen Moment der Stille sucht. Nicht einmal dann, wenn diese müde Mutter Theologin und Pfarrerin ist. Lediglich die Bibellese und das Gebet gehen in die für mich richtige Richtung. Aber dafür benötige ich nicht unbedingt eine App. Da reicht mir mein total analoges Losungsbüchlein. Sorry!

Was ich jedoch am meisten vermisse, ist die Erinnerungsfunktion. Damit ich während des Tages überhaupt an die App – oder besser gesagt – an Gott und meine Beziehung zu ihm denke, wäre ein kleiner Hinweiston, der meine Routine durchbricht, äusserst hilfreich.

Gut, vielleicht lässt sich diese Funktion durch die Registrierung «freischalten». Immerhin wurde ich nach dem Herunterladen gefragt, ob mir «from …» Signale senden darf. Aber ehrlich gesagt, würde auch das die App für mich nicht wirklich attraktiver machen, weshalb ich die Anmeldung nicht in Betracht ziehe und «from …» nach Erscheinen dieses Onlinebeitrages von meinem Smartphone löschen werde.

Persönliches Fazit: **

Für die App «from...» gibt es von mir grosszügige zwei Sterne, weil der biblische Impuls und das tagesaktuelle Gebet in die von mir gewünschte Richtung gehen.

Die App «XRCS – Workout für die Seele» wurde von der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers entwickelt.

Aufmerksam auf diese App wurde ich via Instagram. Einige berichteten über ihre Mitarbeit und gaben so Einblicke über die Funktionsweise von «XRCS». Diese Empfehlungen tönten durchwegs positiv. Auch die untenstehende Beschreibung im App-Store machte mich neugierig:

«Joggen, Schwimmen, Radfahren, wandern – wir wissen, wie wichtig es ist, uns fit zu halten. In unserem stressigen Alltag sehnen wir uns nach Ausgleich. Aber nicht nur der Körper – auch unsere Spiritualität braucht Aufmerksamkeit und Freiraum. Darum haben wir die App XRCS entwickelt.

XRCS – abgeleitet vom engl. EXERCISE – bedeutet geistliche «Übung» und bezieht sich auf die christliche Tradition der Exerzitien. Diese App soll dich unterstützen, achtsam zu werden und die Gegenwart Gottes in deinem Alltag wahrzunehmen.»

Exerzitienweg in digital

Die Startseite der App bietet einen guten Überblick, was die verschiedenen Möglichkeiten sind, aus denen ich auswählen kann. Es gibt vier Kategorien, die sich durch die Farbgebung voneinander abheben. So beispielsweise den klassischen Exerzitienweg, der an die Tagzeitgebete der Klostergemeinschaften angelehnt ist. Es sind täglich wiederkehrende Impulse, die entweder als Audio-Meditation angehört oder als Text gelesen werden können.

Dieser Übungsweg sagt mir sofort zu, weshalb ich nicht lange zögere und diese rote Kategorie wähle. Ich werde gefragt, zu welchen Zeiten ich die drei Impulse wünsche. Es ist also tatsächlich eine App, die sich selbstständig meldet und mir Gott und meine Zeit mit ihm in Erinnerung ruft. Ich bin begeistert!

Überraschende Fragen mitten in den Tag

Nach einigen Tagen merke ich, dass dieser Exerzitienweg nicht in meinen Alltag passt. Obwohl mich die Audio-Meditationen ansprechen und ich mir gerne die entsprechende Zeit dafür nehmen möchte, lässt es sich kaum mit meinem unvorhersehbaren Tagesablauf vereinbaren. Auch hier müsste ich mich entsprechend organisieren, damit ich mir meine Gebetszeit frühmorgens und spätabends nehmen könnte, wobei der Mittag völlig ausfallen würde. Schweren Herzens beende ich den Übungsweg vorzeitig. ABER: Ich habe ja noch mehr Möglichkeiten. Vielleicht passt etwas anderes viel besser zu mir …

Beispielsweise die erste Reise unter der Rubrik Inspiration. Wenn das Smartphone piepst oder vibriert, meldet sich die App mit überraschenden Fragen, die mich zum Nachdenken anregen. Auch das eine grossartige Idee, wie ich finde. Und tatsächlich: Die kurzen, prägnanten Fragen begleiten mich durch den Tag und lassen mich immer wieder aufs Neue innehalten und staunen. Erst recht, wenn einer der Impulse mitten ins Herz trifft. Schön, dass es noch weitere Inspirations-Reisen gibt!

Routinefasten, um Gewohnheiten zu hinterfragen

Zwei weitere Kategorien und ihre Beschreibungen machen Lust auf mehr. Zum einen das Routinefasten, das nicht unbedingt den Verzicht, sondern vielmehr die Konzentration auf das Wesentliche ins Zentrum stellt. Dazu gehört auch, eigene Gewohnheiten zu hinterfragen und dabei Gott zu begegnen. Zum anderen das Wertvollwort, das einen Bibeltext in einem griffigen Schlagwort zusammenfasst und jeweils durch einen kurzen Gedanken von Hanna Buiting, Marco Michalzik und Eva Jung ergänzt wird.

Nebst diesen vier verschiedenen Übungsweg-Kategorien gibt es zudem Kurzmeditationen, die man nach Bedarf abrufen kann, wenn man gerade eine spirituelle Auszeit benötigt.

Persönliches Fazit: *****

Die App «XRCS – Workout für die Seele» ist genau das, was ich für mich und mein Glaubensleben gesucht habe. Deshalb ohne zu zögern: Fünf Sterne. Die App bietet so viele verschiedene Möglichkeiten, dass ich noch gar nicht alles ausprobieren konnte. Ich bin gespannt, was ich noch alles entdecken kann. Beispielsweise in der Rubrik «Adventskalender», die bald schon aktuell werden wird.

Die App 3:33 WEILER entstand aus einer Zusammenarbeit von Katholisch Stadt Zürich und der Fachrichtung Cast/Audiovisual Media an der Zürcher Hochschule der Künste. 

Orte zu erkunden oder vertraute Gegenden einmal mit anderen Augen zu sehen, fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Gerade im Urlaub sind solche Entdeckungstouren in Städten, fernab der herkömmlichen Touristenströme und ohne Reiseführer, eine wahre Bereicherung. Im Alltag fehlen jedoch oft die Zeit und die Gelegenheit, sich einmal am eigenen Wohnort auf diese spezielle Art und Weise umzusehen. Die App «3:33 WEILER» macht aber genau das in Zürich möglich. Und die Beschreibung im Store zeigt auf, dass es nicht zwingend viel Zeit beansprucht.

Lädt zum Verweilen

«Im Zentrum stehen die beiden Verweilphasen von 1 Minute und 11 Sekunden und 2 Minuten und 22 Sekunden. Die Summe dieser beiden Zeiten des Verweilens, die nicht übersprungen werden können, gaben der App den Namen: 3:33 WEILER. Die App lädt ein, zur Ruhe zu kommen und sich vertieft auf etwas einzulassen.

Du kannst mit 3:33 WEILER einen einzelnen Ort besuchen – als kurze Pause im Alltag – oder kombiniere einige Orte zu einer Entdeckungsreise. Der Aufenthalt an einem Ort dauert ca. 10 Minuten.

An jedem Ort bietet dir die App eine Anleitung, den Ort aufmerksam zu erkunden und dabei auch mehr über dich selber zu erfahren.»

Art der Ausführung überzeugt

Leider musste ich aufgrund von Corona und mangels Zeit die App «trocken» von zuhause aus testen. Natürlich ist das nicht die optimale Voraussetzung. Dennoch hat mich die Art der Ausführung sofort überzeugt. Die angenehme Stimme, die ansprechenden Impulse, die passenden Drohnenaufnahmen und die besinnlichen Musikstücke lassen mich erahnen, wie diese App vor Ort auf mich wirken würde. Wenn ich schon in Thun zur Ruhe komme und meine Gedanken schweifen lassen kann, dann erst recht, wenn in Zürich die Geräusche, Gerüche und die Atmosphäre der Orte hinzukämen.

Ausserdem gibt es wissenswerte Infos beispielsweise zur Geschichte oder zu aussagekräftigen Flurnamen. Um einen Eindruck geben zu können, wie eine solche 3:33 Auszeit tönt, gibt es nun ein kleines Video über einen Ort, der anscheinend nichts Besonderes ist und trotzdem «gluschtig» macht, diesen irgendwann einmal aufzusuchen.

Persönliches Fazit: ****(*)

Es gibt keinen Zweifel darüber, dass «3:33 WEILER» die volle Sternenanzahl verdient hätte. Einen Stern Abzug gibt es von meiner Seite lediglich deshalb, weil sich die App «nur» auf Zürich anwenden lässt und ich bisher keine Möglichkeit hatte, mir vor Ort ein Bild zu machen.

Tipp: Wer sich für derartige Strassenexerzitien am eigenen Wohnort oder in einer beliebigen Stadt interessiert, kann auf das analoge Kartenset «Stadtpause» zurückgreifen, das im Online-Shop von ruach.jetzt erhältlich ist.

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