«Ich bin Gottesdienstbeauftragte in Neubrandenburg. Das ist ein ehrenamtlicher liturgischer Dienst in der römisch-katholischen Kirche. Das Vertrauen, diese Funktion ausüben zu können, schöpfte ich aus meinen Erfahrungen als Vorbeterin auf Twitter. Über den Twitteraccount @_twaudes, eine Kombination aus Twitter und Laudes, leite ich seit 2015 mindestens ein Mal pro Woche das Morgengebet. Man findet uns unter dem Hashtag #twaudes. Da ich vier Kinder habe, kann ich es mir morgens gut einrichten, wenn alle aus dem Haus sind.
Getragen durch Gebete
Aufs digitale Beten kam ich durch eine schicksalshafte Zeit. 2014 hatte mein Mann einen schweren Unfall, zeitgleich merkte ich, dass ich mit dem vierten Kind schwanger war. In diesen bewegenden Wochen schloss uns jemand auf #twomplet, dem Abendgebet auf Twitter, ins Gebet mit ein. Weitere Gebete, auch nach der Geburt des Kindes, das ein Frühchen war, folgten. So lernte ich diese Plattform kennen.
Die Gebete trugen mich sehr. Da ich für längere Zeit nicht in den Sonntagsgottesdienst gehen konnte, betete ich mit dem Säugling auf dem Arm zusammen mit anderen auf Twitter und spürte so Gemeinschaft. 2012 hatte ich zu twittern begonnen. Damals arbeitete ich an der Doktorarbeit, hatte drei Kinder und war oft allein. Ich begann, mich wissenschaftlich auf Twitter auszutauschen, auch mit anderen promovierenden Müttern – daher mein Twittername @thesismum.
Zeit für die Gedanken
Als im #twomplet ein Vorbeter ausfiel, sprang ich ein. Ich konnte mich in die Gebetsgemeinschaft einbringen, obwohl ich ein Baby auf dem Arm trug. Beim Vorbeten orientiere ich mich am Stundengebet. Ich zerlege die Psalmen in einzelne Tweets und baue Musik ein.
Sonntags gehe ich in die Messe, die Eucharistie ist mir wichtig. Das Beten auf Twitter ist kein Ersatz, sondern eine Ergänzung. Gemeinschaft spüre ich auch dort durch die Reaktionen. Einige Leute aus dem digitalen Gebetsraum habe ich später im realen Leben kennengelernt.
Gebete auf Twitter sind niederschwellig und kommen in Häppchen daher. Man hat mehr Zeit, darüber nachzudenken, als in einer Messe.
Sie sind an keine Konfession oder Institution gebunden. So soll es bleiben, damit auch Kirchenferne Zugang finden zum Gebet. Und es gibt keine Diskussionen».