Haben Sie Gottesdienste vermisst?
Thomas Schlag: Ja. Egal, ob man nun hingeht oder nicht, allein das Wissen darum, dass keine Gottesdienste stattfinden, ist eine heftige Veränderung. Es fehlt etwas in der Stadt. Insbesondere über Ostern empfand ich den Einschnitt als massiv.
Pfarrerinnen und Pfarrer haben in leeren Kirchen gepredigt und die Feiern im Internet übertragen. Waren das keine Gottesdienste?
Doch. Für mich sind das vollwertige Gottesdienste. Wesentliche liturgische Elemente blieben erkennbar.
Inwiefern kann die virtuelle Variante die reale Feier ersetzen?
Ich habe mir eine Reihe von Gottesdiensten angeschaut und selbst an einzelnen sozusagen aktiv teilgenommen. Bei vielen Pfarrpersonen spürte ich das Bemühen, die virtuelle Gemeinde anzusprechen. Aber es fehlt halt vieles, was über das unmittelbar Sichtbare hinausgeht: der Raum, die Atmosphäre, das Wissen, dass noch Menschen um mich herum sind. Ich erfahre Online-Gottesdienste als deutliche Begrenzung.
Ist es überhaupt sinnvoll, sich am herkömmlichen Gottesdienst zu orientieren und ihn nachzuahmen?
Das ist eine wichtige Frage. Einerseits war bei Pfarrpersonen die Bereitschaft da, sich auf das Medium einzulassen. Nichts wirkte künstlich, die Botschaft kam an. Mit grosser Ernsthaftigkeit setzten sich die Predigten mit der Krise auseinander. Andererseits wurde häufig nur die Gemeinde durch die Kamera ersetzt, die kreative Übersetzungsarbeit ins neue Medium fehlte dann.