Recherche 01. Juli 2020, von Toni Schürmann/kirchenbote-online.ch

«Man kann auch online offline gehen»

Digitale Kirche

Corona hat in den Kirchen zu einem Digitalisierungsschub geführt. Der Technik-Spezialist Pascal Steck ordnet die Möglichkeiten im Gespräch mit dem Theologen Samuel Sarasin ein.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich ausgerechnet «Offline Basel», dessen Name auf eine Anti-Digitalisierungsbewegung im Silicon Valley zurückgeht, in einem Podcast-Beitrag mit dem Thema Digitalisierung befasst. Denn erklärtes Ziel von «Offline» ist es, sich zumindest zeitweise aus der digitalen Welt auszuklinken.

Gemäss einer Online-Umfrage von «Offline» werden digitale Gottesdienste in der Tendenz öfter geschaut, als Gottesdienste in der Kirche besucht. Als Vorteil von Online-Gottesdiensten werden die örtliche und zeitliche Unabhängigkeit genannt und die Möglichkeit, auch Gottesdienste anderer Gemeinden anschauen zu können.

Gespräch mit einem Gast

Im Podcast über die Chancen und Gefahren der digitalen Kirche diskutierte der Offline-Mitarbeiter und Theologe Samuel Sarasin mit dem Technik-Spezialisten Pascal Steck in dessen Tonstudio. In seiner Projektagentur hilfmir.ch verknüpft Steck Technik und Glauben. Derzeit erfolge bei der Vermittlung der Bibel ein Zurück-zu-den-Wurzeln. «Früher wurden biblische Geschichten mündlich tradiert, danach folgte mit dem Buchdruck die schriftliche Weitergabe. Und nun werden die Geschichten wieder wie früher erzählt. Einziger Unterschied: Das Digitale ist überall und jederzeit abrufbar», sagt Steck.

Aufgrund der Messbarkeit der erfreulich vielen digitalen Klicks sei eine gewisse Euphorie entstanden, erklärt Steck und gibt zu bedenken. «Die Gefahr besteht, dass wir in der Technik die Chance sehen, unsere Kirche gegen aussen präsenter zu machen, innerhalb der Kirche aber dazu nicht bereit sind.» Nicht jede Pfarrperson sei videogen, stellt Steck fest. Viele Pfarrerinnen und Pfarrer würden erst zur Hochform auflaufen, wenn das Publikum analog präsent sei.

Dennoch sei es ein grosses Glück, dass die digitale Technik heute bereits derart weit entwickelt ist. Video-Chat-Plattformen wie Zoom boten in der Corona-Krise die Lösung für das Problem, dass man sich nicht physisch begegnen konnte.

Unterschiedliche Zielgruppen

Nicht alle digitalen Formen würden die gleichen Ziel- oder Altersgruppen ansprechen. So richte sich die Telebibel, die es seit Jahrzehnten gibt, klar an ältere Personen, die nicht mehr in den Gottesdienst gehen können, aber dennoch die Predigt «ihres» Pfarrers via Telefon hören möchten.

Demgegenüber wenden sich die Podcasts, die Video-, YouTube- und Livestreams an ein jüngeres Publikum. Über diese Kanäle können sich die Leute schnell ein Bild von den verschiedenen Kirchgemeindeangeboten machen. «Dabei stellt sich die Frage, ob es gelingt, den Kern der Botschaft auf sympathische Weise zu transportieren», sagt Steck.

Virtuelle und analoge Gemeinschaft

Auf die Frage von Samuel Sarasin, ob die Digitalisierung das Ende der Gemeinschaft und Geselligkeit einläutet, entgegnet Pascal Steck: «Eine rein digitale Community ist nicht lebensfähig, es braucht die Basis der analogen Gemeinschaft.» Wenn sich in der Corona- Krise Menschen getroffen und dann davon ein Bild in den Sozialen Medien gepostet haben, dann sei das Treffen real gewesen. Der Mensch brauche weiterhin real existierende Beziehungen.

Davon sind Sarasin und Steck überzeugt. «Während die Botschaft des Evangeliums problemlos über digitale Kanäle vermittelt werden kann, steckt in der vor Ort physisch präsenten Weitergabe der Sakramente Taufe und Abendmahl vielleicht doch mehr als Symbolik. Vermutlich liegt die optimale Lösung in Mischformen. Schliesslich kann man auch online offline gehen», sagt Pascal Steck.

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