Sie haben Grosses vor mit dem Forschungsschwerpunkt «Digital Religion(s)». Der inhaltliche Rahmen scheint enorm breit gefasst.
Thomas Schlag: Ja, die Thematik digitaler Religionen selbst ist enorm breit. Irgendwie verbindet sich dynamisch alles mit allem. Denn hier kommen sehr unterschiedlich eng miteinander verbundene Praktiken und Sichtweisen ins Spiel. Man muss sich ja allein den engen Zusammenhang zwischen den technischen Möglichkeiten eines konkreten digitalen Mediums und der jeweiligen religiösen Praxis vor Augen führen: Blogs und Chatforen haben eine andere Zielsetzung und Reichweite als Website-Auftritte oder Youtube-Videos. Interaktive Netzwerkbildungen haben andere Ausstrahlungskraft als Formen der passiven Nutzung.
Welche Disziplinen werden mitforschen?
Wir werden von verschiedenen Seiten her und dabei zugleich interdisziplinär gebündelt forschen. So sind an unserem Projekt in der ersten vierjährigen Phase insgesamt zwölf Lehrstühle der Universität Zürich miteinander verbunden. Das heisst: Projekte aus den Bereichen von Theologie und Religionswissenschaft, Religionspädagogik und Spiritual Care, (Computer-)Linguistik, Medien- und Kommunikationswissenschaft, Soziologie und Recht.
Welches sind die wichtigsten Themen?
Wir unterscheiden grundsätzlich zwei Themenfelder: digitale religiöse Praxis «nach innen» und «nach aussen». Im ersten Feld geht es vor allem um neue Kommunikationsformen von Individuen und um neue Gemeinschaftsbildungen, etwa durch digitale Netzwerke oder neue interne Kommunikationsformen. Hier fragen wir danach, was im Kernbereich religiöser Identitätsbildung passiert.
Im anderen Feld wird untersucht, wie religiöse Gemeinschaften in den Bereichen von Bildung, Spitalseelsorge oder bei medialen Auftritten die digitalen Möglichkeiten technisch für sich nutzen und wie sich dadurch die bisherige öffentliche Relevanz verändert.
Die Breite des Rahmens lässt aber erahnen, dass noch mehr dazukommt.
Ja, quer zu allem stellen sich viele rechtliche und politische Fragen im Bereich der Religions- und Meinungsfreiheit. Man denke nur an das problematische Phänomen von religiöser «hate speech» oder fundamentalistischen «Filterblasen», in denen man die eigenen Vorurteile permanent weiterschürt und von anderen bestätigt bekommt. Es geht insofern immer auch schlichtweg um Aspekte des Datenschutzes und der religiösen Privatsphäre.