Soll die Ehe auch für homosexuelle Paare möglich werden? Ja, findet der reformierte Zürcher Kirchenrat in seiner Vernehmlassungsantwort an die Rechtskommission des Nationalrats. Auch die Evangelischen Frauen Schweiz begrüssen die parlamentarische Initiative, die «gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaften» für alle Paare öffnen will.
Entscheidung braucht Zeit
Eine Antwort angekündigt hatte auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK). Er wollte jedoch die Abgeordnetenversammlung im Juni abwarten und bat um Fristverlängerung. Die rechtliche Frage nach der Ehe für alle und die liturgische Frage nach der Trauung für alle verlange «nach einer einmütigen Antwort der Kirchen», heisst es nun im Vernehmlassungstext. Statt eine Antwort zu geben, werden darin zehn theologische Fragen zum Themenkomplex aufgelistet. Der Urteilsfindungsprozess sei «im Gang» und werde «noch einige Zeit in Anspruch nehmen».
Die Abgeordnetenversammlung hatte sich auf einen Satz als Basis für weitere Debatten geeinigt: «Wir sind von Gott gewollt, so wie wir geschaffen sind. Unsere sexuelle Orientierung können wir uns nicht aussuchen. Wir nehmen sie als Ausdruck geschöpflicher Fülle wahr.»
Klare Mehrheiten
Die Aargauer Kirchenrätin Catherine Berger kritisiert den Vernehmlassungstext als «Nichtantwort, die der Auffassung des Rates widerspricht, in wichtigen Fragen klar Position zu beziehen». Als Fachanwältin für Familienrecht wirkte sie in der die reformierte Meinungsvielfalt spiegelnden Arbeitsgruppe des SEK mit, die aufgrund der Motion «Familie, Ehe, Partnerschaft, Sexualität aus evangelisch-reformierter Sicht» einberufen worden war.
In der Diskussion im Juni sei eine grosse Solidarität für die Gleichstellung von allen Formen von Paarbeziehungen spürbar gewesen, sagt Berger. Das zeige, dass die Reformierten im Grundsatz offen seien für die Ehe für alle. «Wir sollten uns nicht von einer kleinen Minderheit von lauten Stimmen davon abhalten lassen, eine klare Position zu vertreten.» Die Ehe sei gemäss reformierter Auffassung «ein säkulares Institut, welchem unsere Kirche durch die Trauung den Segen gibt», sagt Berger. «Es wäre für den grössten Teil der Mitglieder nicht verständlich, wenn wir homosexuellen Paaren im Falle der Einführung der zivilen Ehe für alle die Trauung verweigern würden.»
Allen zuhören
SEK-Ratsmitglied Sabine Brändlin verteidigt das Zögern: Der Rat habe die deutlichen Tendenzen in den Äusserungen der Abgeordneten gehört. «Aber wir schenken auch Mitgliedern Gehör, die Bedenken äussern.» Einmütig sei ein Entscheid erst, «wenn er auch für Menschen annehmbar wird, die nicht die Mehrheitsmeinung vertreten».
Auch in andern evangelischen Kirchen hätten Synoden und nicht Exekutivgremien den Entscheid zur Ehe für alle getroffen, sagt Brändlin. Der Rat werde den Prozess auf der Grundlage des verabschiedeten Kernsatzes weiterführen und beschleunigen. «Möglichst bald» sollen die Abgeordneten ihren Beschluss fassen können.