Albert Mboto fängt mit Adam und Eva an: «Dass Gott die Menschen als Mann und Frau geschaffen hat, beweist doch: Gott will die Liebe nur zwischen zwei Geschlechtern.» Natürlich kennt der presbyterianische Priester aus Kamerun, der am Stand der Basler Mission Deutscher Zweig am Stuttgarter Kirchentag informiert, auch die viel zitierte Paulusstelle: «Du sollst nicht bei einem Manne liegen wie bei einer Frau.»
Mit der Segnung von lesbischen und schwulen Paaren würden sich die evangelischen Kirchen Europas versündigen, so Mboto. Von seiner Haltung gegenüber Homosexuellen ist Mboto so felsenfest überzeugt, wie die Pfarrer, die vor 200 Jahren von Basel aus nach Afrika ausgezogen sind, darunter viele schwäbische Pietisten. Die Theologie von Mboto ist die Theologie der Missionare der Basler Mission.
Schwäbische Pietisten gegen Liberalisierung. Aber nicht nur in Kamerun, sondern auch für die schwäbischen Frommen ist die liberale Haltung der meisten evangelischen Kirchen Deutschlands sowie der Schweiz gegenüber der Homosexualität eine Provokation. Die Pietisten im Schwabenland wehren sich im württembergischen Kirchenparlament gegen jede Liberalisierung. Dort stellen sie mit der Fraktion der «Lebendigen Gemeinde» die meisten Synodalen.
Schwule Theologen und lesbische Theologinnen, wollten sie in der Kirchenordnung festhalten, sollten kein Pfarramt ausüben können. Auf den Einwand, dass dies einem Berufsverbot gleich komme, erwiderten sie: «Wer homosexuell ist, soll einfach nicht Theologie studieren.» Die Kompromisslinie wurde dann gefunden: Homosexuellen Pfarrerinnen und Pfarrern ist es verboten, mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner im Pfarrhaus zusammenzuleben.
Kirchentag: Schwerpunkt Homosexualität. Vor dem Hintergrund der württembergischen Diskussion ist es kein Zufall, dass das Präsidium des Kirchentages in Stuttgart ein Zeichen gegen Homophobie setzen wollte. Neben Friedens- und Flüchtlingspolitik war das Thema der gleichgeschlechtlichen Liebe der dritte Schwerpunkt des 35. Kirchentags. Zum ersten Mal in der Geschichte des Kirchentages wurde deshalb das «Zentrum Regenbogen» für Schwule, Lesben und Transsexuelle im Kirchengemeindezentrum des Stuttgarter Stadtteils Wangen eingerichtet. An einem Podium wurde dort die Homosexualität als grösster Spaltpilz der innerprotestantischen Ökumene zwischen Nord und Süd thematisiert.
Auf dem Podium sass auch der Geschäftsführer der Basler Mission Deutscher Zweig, Dieter Bussand-Werner. Am Morgen hatte er schon am Frühstückstisch mit seinen Gästen aus Malaysia die Frage der gleichgeschlechtlichen Liebe diskutiert. Denn seine Familie war eine von 10'000 in Stuttgart und Umgebung, die während des Kirchentages ein Bett für Gäste bereitstellten. Sein Hauptanliegen: Nicht um den Dissens in der Frage gleichgeschlechtlicher Liebe zwischen Nord und Süd herumreden.
So offenbarte er auch zum Erstaunen der malaiischen Gäste, dass die beiden Patinnen seiner Tochter ein lesbisches Paar seien. «Es ist unsere Aufgabe unseren Partnerkirchen zu zeigen, dass es ganz normal sein kann, wenn gleichgeschlechtliche Paare ihre Liebe leben.» Wichtig sei auch, dass die christlichen Gemeinden mit Schwulen und Lesben in Berührung kommen. «Ihr Leben, ihre Erfahrungen mit Ausgrenzung müssen einfließen, um Vorurteile zu überwinden.» Als Ausgangspunkt der Diskussion solle vor allem die Bibel genutzt werden, betonte Bussand: «Wir müssen mit der in der Bibel verbrieften Würde aller Menschen argumentieren».
Ausgegrenzt in Kamerun und Hongkong. Die beiden Vertreterinnen aus den Missionsländern der Basler Mission – Pearl Wong aus Hongkong und Alice Nkom aus Kamerun – stimmten freudig Bullards Thesen zu. Die Theologin aus Hongkong berichtete von Suiziden Jugendlicher, welche die Spannung ihrer sexuellen Orientierung gegenüber einer homophoben Gesellschaft nicht mehr ausgehalten haben. Und Menschenrechtsanwältin Alice Nkom schilderte eindrücklich wie die Schwulen und Lesben in Kamerun durch den Paragraph 347 a kriminalisiert würden. Bereits der bloße Anschein einer gleichgeschlechtlichen Paarbeziehung könnte im Knast enden. Eindringlich formulierte sie: «Wenn es um Homosexualität geht, sollten wir zuerst über Liebe sprechen und dann erst über Sexualität.»
Die Mutter von vier Kindern, und Preisträgerin des Menschenrechtspreis von Amnesty Deutschland wird oft gefragt: «Warum engagierst du dich für die Schwulen?» Die Antwort fällt ihr leicht: Ihr geht es um die Menschenwürde der gleichgeschlechtlich Liebenden. Und darum, dass in Kamerun wie überall in der Welt dem Prinzip des Rechtsstaates und der internationalen Menschenrechte Geltung zu verschaffen. Ihre couragierte Haltung führt dazu, dass sie sich heute nur noch mit Leibwächtern bewegen kann. Todesdrohungen per SMS, per Mail oder postalisch gehören zu ihrem Alltag ebenso wie immer neue Leidensgeschichten von homosexuellen Klienten an sie herangetragen werden). Was Nkom besonders verletzt, ist die Rolle der Kirche, die eigentlich auf dem Fundament der Liebe gegen die gewalttätigen Übergriffe von Homosexuellen etwas unternehmen müsste. Aber es sei umgekehrt: Die Kirche sei selbst mit ihrer dogmatischen Sündenlehre ein Teil des Problems.
Begegnungen sensibilisieren. Da der indonesische Pfarrer Stephen Suleeman aus Jakarta erkrankt war, wurde sein Referat verlesen. In seinem theologischen Seminar organisierte er mit den Studenten Kontakte zu Homosexuellen. Mehr und mehr werde der Thematik immer offener begegnet, und nach zwanzig Jahren der Sensibilisierung seien viele Pfarrer und Pfarrerinnen bereit, die Homosexuellen nicht als Sünder oder Häretiker anzuschauen. Andererseits hat sich auch in Indonesien die Kirche nicht auf eine Resolution einigen können, in der sie den Staat auffordert, die Homosexualität als einen anderen Weg der Liebe zu akzeptieren.
Die Bedeutung des Themas wurde auch im Schlussgottesdienst vor 90'000 Menschen aufgenommen. In seiner Abschlussrede betonte der Kirchentagspräsident Andreas Barner mit Bezug auf das Motto des Kirchentages «Damit wir klüger werden»: Das «Klüger werden» beziehe sich auch auf das Thema der Homosexualität. Denn «gegen die Liebe können wir Christen uns nicht stellen.»