Als Liva Tresch zum ersten Mal mit einer Frau eine Nacht verbrachte – sie bloss dann und wann berührte, mit den Augen streichelte, mehr war da nicht –, fühlte sie sich anderntags schmutzig und verraten. Was für ein Schafseckel der liebe Gott doch sei, habe sie gedacht, jetzt habe er sie auch noch hintergangen.
«Ich war immer schon der Aussatz, das Letzte von allem, unehelich, dumm, und nun auch das noch: schwul.» Das war 1955, Liva Tresch war 22 und so richtig wusste sie nicht, was das ist: schwul. Von anderen hörte sie bloss, die seien ein «gruusiges Saupack», abartig und krank.