Progressive kontern konservative Erklärung zur Ehe für alle

Debatte

Mit einem Manifest setzen 260 Pfarrpersonen ein Zeichen gegen die Diskriminierung homosexueller Menschen.

Das Manifest sei «ein Zeichen gegen Diskriminierung und Ausgrenzung», sagt Michael Wiesmann. Der Pfarrer in Buchs für die Gemeinde Furttal und Synodale gehört zu den Erstunterzeichnenden des am 30. Oktober veröffentlichten Papiers, das innerhalb von nicht einmal drei Tagen 280 Pfarrerinnen und Pfarrer unterschrieben haben. Darunter der Zürcher Dekan und Fraumünsterpfarrer Niklaus Peter, Dekanin Anne-Käthi Rüegg (Zollikon) oder der Appenzeller Kirchenratspräsident Koni Bruderer. «Wir möchten zeigen, dass es auch Pfarrerinnen und Pfarrer gibt, die sich für die Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Paare einsetzen», sagt Wiesmann.

Fehlende Debatte

Das Manifest ist eine Replik auf eine umstrittene Erklärung gegen die Ehe für alle vom 23. Oktober, die mittlerweile 182 Pfarrerinnen und Pfarrer unterschrieben haben. Die Unterzeichnenden wollen gleichgeschlechtlichen Paaren den Ehesegen nicht geben, da die Ehe aus biblischer Sicht Mann und Frau vorbehalten sei. «Wir kritisieren, dass zum Thema in der Kirche keine breite und offene Debatte geführt wird», sagt Pfarrer und Dekan Matthias Walder aus Hinwil. «Stattdessen wird die Ehe für alle einfach gepusht.» Sie wäre jedoch ein Bruch mit der jüdisch-christlichen Tradition, argumentiert die Erklärung.

Überhöhter Wahrheitsanspruch

Wiesmann hält dagegen: «Die Kritiker und Kritikerinnen überhöhen ihren Wahrheitsanspruch derart theologisch, dass dieser in einer pluralistischen, vielfältigen Kirche nicht unwidersprochen bleiben darf.» Sie gäben vor zu wissen, was Gott und die Bibel wollen. «Das ist anmassend.» So richtet sich das Manifest denn auch gegen Lehren, «die subjektive, partikulare menschliche Erkenntnis für absolut erklären.» Keine menschliche Erkenntnis dürfe über die Liebe gestellt werden. «Ausgehend von der Maxime der Liebe Gottes darf für die Kirche keine menschliche Erkenntnis – auch keine theologische oder exegetische – je der Grund sein, zwei liebenden, mündigen Menschen den Segensspruch zu verweigern.» 260 Pfarrerinnen und Pfarrer haben das Papier bis jetzt unterschrieben.

Kirchenbund entscheidet

Am kommenden Samstag soll das Manifest den Delegierten der Abgeordnetenversammlung des SEK zugestellt werden. Diese entscheiden am 5. November über den Antrag des SEK-Rats: Er möchte den Mitgliedkirchen empfehlen, die kirchliche Trauung für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen, falls die Ehe für alle zivilrechtlich eingeführt wird. 

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