Der Zürcher Kirchenrat spricht sich klar für die Ehe für alle aus. Am 8. Juli hat er seine Vernehmlassungsantwort zuhanden der Rechtskommission des Nationalrats veröffentlicht. «Die Zürcher Kirche will aus der eigenen Geschichte heraus einen Akzent setzen», sagt Kirchenratspräsident Michel Müller. Schon 1999 hatten sich die Zürcher Reformierten für die Gleichwertigkeit homosexueller Liebesbeziehungen ausgesprochen und kirchliche Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. «Diese progressive Haltung möchten wir weiterpflegen.»
Kirchliche Trauung für alle
Der Kirchenrat betont, es gebe keine grundsätzlichen Hindernisse, die Ehe für alle als Voraussetzung für die kirchliche Trauung anzuerkennen. Die Ehe sei wandelbar und gehöre nicht zum Glaubensgut.
Ausserdem spricht er sich für den Zugang von gleichgeschlechtlichen Paaren zur Stiefkinds- und Volladoption aus und von lesbischen Paaren zum Verfahren der Insemination mit gespendeten Samenzellen. «Für den Kirchenrat ist hier der Wert der Nichtdiskriminierung leitend. Den gewichten wir bezogen auf die staatliche Gesetzgebung höher als unterschiedliche Meinungen der Bibelexegese zur Frage, wie die Ehe zu verstehen ist.»
Entscheidend sei, dass auch gleichgeschlechtliche Paare den vollen Rechtsschutz haben. «Es geht nicht darum, ein ganz bestimmtes Modell von Ehe zu schützen. Schutz benötigen vielmehr verbindliche Beziehungen und Kinder, die allenfalls daraus entstehen und darin leben.»
Gegen den Zugang von Homosexuellen zu Adoption und Fortpflanzungsmedizin gibt es in christlichen Kreisen Widerstand. So spricht sich etwa die Schweizerische Evangelische Allianz dagegen aus, die nicht «vom entwicklungspsychologisch und pädagogisch begründeten Ideal eines weiblichen und eines männlichen Elternteils» abweichen will.
SEK legt sich nicht fest
Der Kirchenrat hat die Vernehmlassungsantwort bereits fristgerecht vor dem 21. Juni eingereicht. Veröffentlicht hat er sie erst einen Tag, nachdem der Schweizerische Evangelische Kirchenbund seine Antwort publiziert hatte. Darin legt sich der Kirchenbund zur Ehe für alle nicht fest und betont lediglich: die Mitgliedkirchen seien sich einig, dass sich «in der Vielfalt sexueller Orientierungen die Fülle göttlichen Schöpfungshandelns widerspiegelt». Ansonsten sei die Urteilungsbildung noch im Gang.
Michel Müller kann sein Bedauern über «diese Nichtantwort» des Kirchenbundes schwer verbergen. «Wir haben die Zürcher Stellungnahme veröffentlicht, um zu zeigen, dass es Landeskirchen gibt, die einen anderen Weg gehen.» Der Kirchenratspräsident ist überzeugt, dass die Meinungen in den reformierten Landeskirchen zur Ehe für alle nicht so uneinheitlich sind, wie es der Kirchenbund darstelle.