Frage: WarumbefürwortetdiereformierteKirchehomosexuelleBeziehungen,obwohlsieinderBibelabgelehntwerden?WassagtdieBibelüberdieTiefendesmännlichenundweiblichenWesens,überderenUnterschiedeunddiegegenseitigeErgänzung?
Antwort: Auf die Schrift hören, einverstanden! In der Vorrede der Zürcher Bibel von 1531 steht dazu der denkwürdige Satz: «Der die Worte der Schrift nur liest und auf den Sinn und Geist nicht achtet, der irrt mehr, als der, der sie nicht gelesen hat.» Sie sagen, die Bibel sei gegen Homosexualität. Ist sie das? Gleichgeschlechtliche Beziehungen werden jedenfalls nirgends erwähnt. Bei Themen wie Reichtum oder Fremdenfeindlichkeit poltert die Bibel drauflos, und wir stellen uns taub.
Die Liebe zwischen zwei erwachsenen Männern – von Frauen ganz zu schweigen – ist schlicht kein Thema oder allenfalls ein biblisches Flüstern. Und wir machen daraus ein Thema, das Kirchen spaltet. Dabei geht es dort, wo explizit homosexuelle Praktiken verurteilt werden, um Vergewaltigung (Dt 19,5), Tempelprostitution (Dt 23,18), kultische Unreinheit (Lev 18,22) oder Sex mit Knaben (1. Kor 6,9). Hier gibt es nichts zu befürworten. Die reformierte Kirche sagt vielmehr – im Geist des Evangeliums – Ja zu den Menschen, die sexuell anders ticken und deswegen lange Zeit kriminalisiert oder für krank erklärt wurden.
Für mich ist das kein Grund, die Tiefendimension der Geschlechterdifferenz zu leugnen. Die Liebe zwischen Mann und Frau ist ein Gleichnis für die Liebe zwischen Christus und der Kirche (Eph 5,31). In der Schöpfungsgeschichte steht der Spitzensatz (Gen 1,27): «Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, als Mann und Weib schuf er sie.» Haben wir den revolutionären Tiefensinn dieser Aussage wirklich verstanden, wenn wir daraus ein Verbot der Gleichgeschlechtlichkeit ableiten? Von Christus, dem Ebenbild Gottes, heisst es, in ihm sei weder Mann noch Frau noch Jude noch Heide (Gal 3,28). Also gilt auch: In ihm ist weder homosexuell noch heterosexuell. Ich meine, diese Auslegung achte auf den Sinn und Geist der Heiligen Schrift.