Nachdem Bigna mir geholfen hatte, Eier einzusammeln und die Hühner zu füttern, sahen wir ihnen noch eine Weile beim Picken zu. «Ich habe eine Idee», sagte Bigna, «du heiratest Chatrina, und wir ziehen zu euch.» Chatrina ist Bignas Mutter. «Ich habe schon eine Frau», erinnerte ich sie. «Ja und? Der Hahn hat auch mehr als eine.» «Hähne dürfen das, für Menschen ist es verboten», erklärte ich, «jedenfalls bei uns.» «Aber Tina lebt mit zwei Männern zusammen, und die alte Rut auch.» «Rut lebt mit ihren Söhnen, Tina mit ihrem Ehemann und ihrem Bruder. Lieben tut sie nur den einen.» «Und Rut?»
Während ich nachdachte, beobachtete ich den Hahn und versuchte zu erkennen, ob er glücklich war. «Natürlich liebt Rut ihre Söhne», sagte ich. «Lieben kann man viele Menschen, soll man auch, auf die eine oder andere Art. Auch leben kann man mit vielen. Verheiratet sein ist trotzdem etwas ganz Besonderes. Stell dir vor, du hättest zwei Lieblingsteddys. Sowas geht nicht, man hat einen Lieblingsteddy.» «Ich habe keinen Teddy», sagte Bigna, «nur eine Kuh. Aber schön, dann heiratest du Chatrina eben nicht, und wir ziehen sonst zu euch.»
Ich konnte Bigna schlecht sagen, dass mir Chatrina schlicht zu gut gefiel, als dass ich sie unter unserem Dach haben wollte. Und Renata dachte ziemlich sicher gleich. «Stell dir vor», versuchte ich es nochmals, «stell dir vor, du hast einen Nussbaum gesetzt. Nussbäume sind heikel, besonders hier oben, dein Bäumchen braucht ganz viel Licht und Wasser und vor allem viel, viel Platz für seine Wurzeln. Zehn Meter, von Anfang an, auch wenn der Baum erst nur ganz klein ist. Wenn du ihm die nicht gibst, wird er gar nicht erst wachsen und schon gar nicht tragen. Und Geduld brauchst du, denn so richtig mit Nüssen behangen ist er frühestens nach etwa 20 Jahren, am schönsten trägt er mit 40. Dann ist er ein stolzer, starker Baum, der den Garten beschützt.»
Bigna sah schweigend auf die Hühner. Erst als ich aufstand, um die Eier hineinzutragen, lachte sie und sagte: «Stell dir vor, der Hahn hat nur ein einziges Huhn, und das wächst, bis es gross wie ein Baum ist. Der arme Hahn.»