Bigna mag es, sich Arme und Beine zu verbinden und die Haut mit Heftpflastern zuzukleistern. Sie findet sich schön. Zudem sei es praktisch, weil man in die Verbände vielerlei stecken könne, Blütenblätter, Brot, Bleistiftstummel. Die Sachen finden sich morgens in ihrem Bett wieder.
Als wir bei der Stallräumung einen alten Zettel im Mist entdeckten, «Gesetze und Gebräuche des Krieges», beschäftigte das Papier sie sehr. Besonders ein Satz: «Die Beraubung von Verwundeten und Toten ist verboten.» «Dann dürfte Chatrina die Sachen gar nicht wegwerfen, die mir in der Nacht aus dem Verband gefallen sind!» «Nur weil du einen Verband trägst, bist du noch nicht verwundet», sagte ich. «Wann ist man denn verwundet?» «Wenn einem etwas weh tut.» «Wenn ich Bauchweh habe, weil ich zu viele grüne Kirschen gegessen habe, bin ich dann verwundet?» «Im Sinne des Roten Kreuzes vermutlich ja.» «Auch wenn ich keinen Verband trage?» «Ja.» «Und wenn ich kein Bauchweh habe, aber der Verband scheuert und tut weh, bin ich dann verwundet?» Ich lachte. «Ja, wohl schon. Aber jetzt gib mir das Papier. Ich glaube, ich will darüber schreiben.»
Bigna überhörte mich. «Also wenn mir irgendwas weh tut, darf mir niemand mehr etwas klauen? Nicht einmal Chatrina, obwohl sie meine Mutter ist?» «Man sollte überhaupt nie jemandem etwas wegnehmen.» «Ausser es ist gefährlich, eine Schere zum Beispiel. Weil man sich damit weh machen kann.» «Ja, aber jetzt gib mir das Papier.» «Du kannst es mir nicht wegnehmen.» «Das ist mein Stall», erinnerte ich sie, «du hast es mir weggenommen.» «Ja, und? Du bist nicht verwundet, und tot auch nicht.»
«Ich habe mir einen Nagel eingerissen, das tut ein bisschen weg», versuchte ich es. Bigna untersuchte gleich meinen Daumen. «Den muss man verbinden», stellte sie fest und rannte nach ihrem Verbandkästchen. Die Prozedur dauerte den halben Vormittag, erst wurde amputiert, dann verbunden und gegipst. «Jetzt gib mir das Papier», bat ich, als Dr. Bigna mich entliess. «Nein, du bist krank geschrieben. Du darfst gar nicht arbeiten.» Sagte sie nur. Das gab sie mir dafür schriftlich.