Wir leben in einem aussterbenden Tal. Prächtige alte Häuser und Ställe stehen seit Jahrzehnten oder einem Jahrhundert leer. Wir versuchen, das eine oder andere zu retten. Aber das kostet. Ende Monat wissen Renata und ich nicht immer, wie die ausstehenden Rechnungen begleichen.
Gestern kam Bigna dazu, als wir sie stöhnend sortierten in «Ärmer als wir, sofort zahlen», «Reich, kann warten» und «Verhandeln». «Aber du schreibst doch andauernd», wunderte sie sich, «ihr müsst doch stinkereich sein!» «Ich bin nicht Arzt oder Rechtsanwalt, nur Romanautor. Für Medizin oder um mit anderen zu streiten, geben die Leute viel mehr Geld aus als für Bücher.» Bignas Mutter hatte gerade einen Prozess führen müssen, der zum Glück für sie gut ausgegangen war. «Dafür sind sie dann gesund, oder sie gewinnen», sagte Bigna. Ich nickte. «Bücher machen aber auch gesund. Manche jedenfalls, die dafür umso mehr. Und wer liest, hat auch Besseres zu tun, als zu streiten.» «Egal», sagte Renata, «wir haben wenig Geld, trotzdem sind wir reicher als die meisten. Wir leben am schönsten Ort der Welt und tun, was uns glücklich macht. Das ist viel mehr wert.»
Bigna lachte ungläubig. «Mehr wert als Geld? Nichts ist mehr wert als Geld!» «Sogar alles», behauptete Renata. «Reiche Leute ohne Fantasie sind arme Hunde. Sie hocken auf ihrem Geld, und was haben sie davon? Arme Leute mit Fantasie dagegen sind reich, denn die schönsten Dinge geschehen sowieso im Kopf. Deshalb ist ein gutes Buch mehr wert als die teuerste Reise.» «Und auch ein kranker Mensch kann sie machen», fügte ich hinzu.
«Und wieso stöhnt ihr dann überhaupt?», fragte Bigna. «Weil es Spass macht», gestand ich. «Eigentlich gibt es nichts zu jammern. Es tut nur manchmal gut, sich ein bisschen zu bemitleiden.» «Ach, wenn das so ist», sagte sie, «werde ich später doch nicht reich, sondern schreibe auch Bücher.»