Auf dass Gott die Sache zu einem guten Ende führt

Am Tag, an dem der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» ausrief, stand in den Herrnhuter Losungen ein Vers aus Psalm 57: «Ich rufe zu Gott, dem Allerhöchsten, zu Gott, der meine Sache zum guten Ende führt.» Die Losungen, die für jeden Tag aufeinander bezogene Worte aus dem Alten und Neuen Testament bereithalten, erscheinen seit 1731 und werden in 60 Sprachen übersetzt.

In der persönlichen Andacht verbinden sich Menschen über Generationen und Regionen hinweg. Biblische Worte trösten, inspirieren und stellen sich manchmal quer. Verbindung halten und Distanz wahren ist das Gebot der Stunde. Dabei helfen kann das Gebet. Es kappt für einen Moment den Nachrichtenstrom und ermöglicht Einkehr in die Stille, das Hinhören auf das, was trägt.

Die virtuelle Kirche

Kirche ist nur als Gemeinschaft denkbar. Zu ihrem Selbstverständnis gehört, dass sie Menschen auch räumlich zusammenbringt. Inzwischen ist das verboten. Dennoch bleiben Gottesdienste möglich. Es gibt technische Optionen dank Podcasts, Video-Plattformen, sozialer Medien. Und es gibt die alten Formen der virtuellen Kirche. Die Tradition der Herrnhuter Losungen gehört dazu: Die Überzeugung, dass das Hören auf biblische Texte über Zeit und Raum hinweg verbindet. Ohnehin fanden Gottesdienste noch nie nur im Kirchenraum statt. Die feiernde Gemeinde fügt sich ein in eine Gemeinschaft, die territoriale und konfessionelle Grenzen sprengt. Deshalb wird in jedem Gottesdienst das Unservater gebetet, das Gebet, das alle christlichen Kirchen vereint.

In manchen Kirchen läutet eine Glocke, während das Unservater gebetet wird. Die Tradition lässt sich nun neu beleben, wie es viele Gemeinden bereits angefangen haben. Menschen beten das Unservater oder werden einfach still, wenn die Kirchenglocken läuten. Sich Mitmenschen verbunden zu wissen, die physisch nicht da sind, ist eine elementare Glaubenserfahrung und eine Kraftquelle.

Die quälende Ungewissheit

Die Corona-Krise lässt sich nicht wegbeten. Und die Schweiz zahlt einen hohen Preis: gefährdete Menschenleben, wirtschaftliche Einbussen, die quälende Ungewissheit, wie es weitergeht. Aber beten hilft trotzdem. Das Gebet gibt der Angst Raum und nährt die Hoffnung, dass Gott die «Sache zum guten Ende führt».

Daraus spricht nicht der naive Glaube an der Schwelle zum Fatalismus, dass alles schon irgendwie gut kommt. Vielmehr erzählt der Psalm von der Erkenntnis, dass der Mensch das Menschenmögliche tun muss, um Krisen zu bewältigen. Weil er die Lage aber nicht einfach im Griff hat, ist er auf Fügungen und Ermutigung, auf Gemeinschaft und Gottes Segen angewiesen.