Recherche 25. August 2021, von Felix Reich

EKS-Ethiker kritisiert Bundesamt

Medizin

Medizinethiker Frank Mathwig hält die Impfempfehlung für Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren für problematisch. Erwachsene dürften sich nicht vor der Verantwortung drücken.

Sind geimpfte Menschen die solidarischeren Menschen?

Frank Mathwig: Eine Impfung hat immer einen doppelten Nutzen. Wer sich impfen lässt, schützt sich vor einer schweren Erkrankung. Dazu hat sie einen solidarischen Effekt, da sie zur Eindämmung der Pandemie beiträgt. Allerdings gilt das in dieser Deutlichkeit nur für Erwachsene. Der persönliche Nutzen für Jugendliche von 12 bis 15 Jahren, denen das Bundesamt für Gesundheit die Impfung ebenfalls empfiehlt, ist deutlich geringer, weil sie viel seltener schwer erkranken.

Sollen sich Junge dennoch impfen?

Das wird kontrovers diskutiert. Als Erwachsener wäge ich ab zwischen Nebenwirkungen und Risiken der Impfung und den Risiken eines fehlenden Schutzes. Im Wissen, dass ich schwer oder gar tödlich erkranken kann, fällt der Entscheid leicht. Bei den Jugendlichen stehen die gleichen Impfrisiken wie bei Erwachsenen einem deutlich geringeren Erkrankungsrisiko gegenüber.

Kinder und Jugendliche sind eher gefährdet als gefährdend.
Frank Mathwig, Ethiker und Theologe

Bleibt das Argument, dass Jugendliche, die sich impfen lassen, bei der Eindämmung der Pandemie helfen.

Damit nähme man sie für etwas in die Pflicht, dem sich die Erwachsenen angesichts schwindender Impfbereitschaft zunehmend entziehen. Kinder und Jugendliche sind stärker von Covid-Ansteckungen betroffen, als sie andere anstecken. Sie sind eher gefährdet als gefährdend.

Die Impfempfehlung für Jugendliche halten Sie also für falsch?

Sie ist zumindest problematisch. Die Impfung von 12- bis 15-Jährigen  hat kaum Effekte für die Herdenimmunität. Für zielführender halte ich den Vorschlag, überzählige Impfstoffe ärmeren Ländern zu überlassen, damit sich mehr Erwachsene weltweit impfen lassen können.

Frank Mathwig (60)

Frank Mathwig (60)

Der Beauftragte für Theologie und Ethik der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) ist Mitglied der Nationalen Ethikkommission für Humanmedizin. Zudem ist Frank Mathwig Titularprofessor für Ethik an der Universität Bern.

Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) schreibt in ihrem Papier zur Covid-19-Impfung von einer «moralischen Impfpflicht». Was meinen Sie damit?

Die moralische Impfpflicht besteht gegenüber Menschen, die sich vor den Risiken einer Virusinfektion nicht schützen können. Damals bestand sie besonders gegenüber betagten und hochbetagten Personen. Inzwischen gilt sie ebenso Kindern und Jugendlichen gegenüber. 

Warum?

Junge Menschen haben unter den Schutzmassnahmen besonders gelitten. Eine hohe Impfquote bei den Erwachsenen ersetzt die staatlichen Schutzmassnahmen, sodass sich Jugendliche wieder unbeschwert treffen und ohne Einschränkungen zur Schule gehen können.

Es geht nicht darum, einfach möglichst viele Impfungen durchzuführen.
Frank Mathwig, Ethiker und Theologe

Wenn die Impfquote stagniert, helfen sich impfwillige Jugendliche selbst, statt einfach zu warten.

Die Impfung ist kein Selbstzweck, sondern das derzeit wirksamste Mittel, um schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle zu verhindern. Deshalb geht es nicht darum, möglichst viele Impfungen durchzuführen, sondern darum, dass sich möglichst viele aus den Altersgruppen impfen lassen, bei denen deutliche Erkrankungsrisiken bestehen.

Im Mai hatten Sie in «reformiert.» noch erklärt, sobald ein Impfstoff zugelassen sei, müssten «die Jungen zuerst drankommen».

Damals ging es um die Impfpriorisierung. Jetzt reden wir darüber, ob der Impfnutzen die Risiken rechtfertigt. Jugendliche sollen sich impfen lassen können. Ihren Entscheid sollen sie jedoch umfassend informiert, wohl erwogen und selbstbestimmt treffen.

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