Bisher gibt es nur wenig bestätigte Coronafälle in Afrika. Wie verlässlich sind diese Angaben?
Die Zahlen sind wenig aussagekräftig. Man geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Mittlerweile wurden Todesfälle aus zahlreichen Ländern in Ost-, West- und Südafrika berichtet. Wenn man davon ausgeht, dass die Sterblichkeitsrate bei der Corona-Epidemie im unteren einstelligen Prozentbereich liegt, muss man damit rechnen, dass sehr viele Menschen bereits erkrankt sind.
Um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, haben die Regierungen Ausgangssperren verhängt, die von der Polizei rigoros durchgesetzt werden. Wie wirken sich die Massnahmen auf die Bevölkerung aus?
Es ist fraglich, wie viel diese teils rigorosen Massnahmen wirklich bringen werden: Die Lebensweise in Grossfamilien auf engstem Raum oder in urbanen Slums begünstigen die Ausbreitung. Dazu kommt, dass viele Menschen in Afrika bereits unter anderen Infektionskrankheiten wie HIV, Malaria oder Tuberkulose leiden. Es besteht die Gefahr, dass diese Menschen nun wegen der Corona-Massnahmen nicht mehr oder weniger gut behandelt werden. Zieht man die gesamten wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Folgen in Betracht, ist es möglich, dass die Eindämmungsmassnahmen in armen Ländern mehr Menschenleben fordern, als sie retten können.
Weil sich die Leute gar nicht daran halten können?
Ja, weil kaum jemand, wie hierzulande, Vorräte zu Hause hat. Weil die Menschen kein Geld haben, wenn sie nicht arbeiten können. Dieses Klima von ständiger existenzieller Angst schafft einen idealen Nährboden für Gewalt, auch für sexuelle Gewalt. Bereits gebe es erste Anzeichen von Revolten. Ein Kollege berichtete mir aus Südafrika, die Lage in den Townships sei äusserst angespannt: Das Militär versuche die Restriktionen durchzusetzen, aber die Leute haben Hunger und müssen sich Lebensmittel und Wasser beschaffen. Eine hochexplosive Situation.