Recherche 21. April 2020, von Marius Schären

Warum wir wem glauben (sollten)

Kommunikation

Erzählt der Bundesrat wirklich die Wahrheit – oder nicht? Wollen die Mächtigen einfach sich oder das Volk schützen und stärken? Ein paar Fakten zur Informationsverbreitung.

Was nun? Wenn es hier heisst, das Virus stamme von Fledermäusen, und dort, es komme aus einem Labor? Wenn Medien von «Corona-Toten» berichten, aber ein als Wissenschaftler deklarierter Mann auf Youtube sagt, die Todesursache sei jeweils gar nicht das Virus?

In Krisen erhalten aktuelle Informationen eine besonders grosse Bedeutung. Wenn so vieles anders ist als normalerweise, wollen oder müssen wir sogar wissen, was läuft und wie wir uns am besten verhalten.

Für manche ist das ein Geschäft. Sie warten mit angeblichen Enthüllungen über Ursprünge des Corona-Virus auf, verdienen sich eine goldene Nase mit Survival-Kits und Notfallausrüstungen, geisseln es als Strafe Gottes, Plan von Eliten oder klagen scheint’s bewusst geschürte «Panik» an, wo eigentlich gar keine wirkliche Panik ist.

Am einfachsten über die «klassischen Stellen»

Für Thomas Häussler, Oberassistent am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Uni Bern, sind die Orientierungspunkte klar: Vertrauenswürdige Informationen gebe es «im Prinzip und am einfachsten über die klassische Stellen, die politisch dafür verantwortlich sind und beruflich mit der Verdichtung und Interpretation von Informationen zu tun haben». Damit meint Häussler öffentliche Stellen wie Bundes- und kantonale Ämter und journalistische Angebote wie öffentlich-rechtlicher Sender und die «Qualitätspresse», die sich zu deklarierten journalistischen Richtlinien bekennt.

Dass ein Gefühl eines Wusts von Informationen entstehen kann, bestätigt der Wissenschaftler. Dazu tragen in seinen Augen aber vor allem die übrigen Quellen bei. «Suchmaschinen etwa verweisen zwar auf publizistische Angebote, folgen aber nicht deren Logik – sie erbringen selbst keine Synthese- und Interpretationsleistungen.»

Kritische Geister hinterfragen nicht alles

Dabei sieht es Thomas Häussler nicht als Zeichen eines kritischen Geistes, alles zu hinterfragen – was ohnehin schon gar nicht möglich sei. «Im Gegenteil, der kritische Geist stützt sich ja jeweils auf das, was als gegebenes Wissen gilt.» Der kritische sei also ein kreativer Geist, aber kein «grundskeptischer». Erst so könnten wir uns überhaupt individuell und als Gesellschaft weiterentwickeln – «und das nicht nur technisch, sondern auch beispielsweise moralisch».

Wir dürfen also durchaus vertrauen. Wenn der Bundesrat etwa verlange, dass wir zuhause bleiben und grössere Ansammlungen von Menschen meiden sollen, begründe er das, sagt Häussler. Bei dieser Plausibilisierung sei eines wichtig: «Dass die Betroffenen von neuen Regeln und Anordnungen zu Wort kommen können – die Kooperation der Bevölkerung, auf die sich die Regierungen und Behörden der verschiedenen Länder verlassen können müssen, ist zweiseitig. Der Staat muss sich dann also beispielsweise Gedanken darum machen, wie Erwerbsausfälle aufgefangen werden können.»

Tun, was man sagt, und transparent sein

Die Behörden müssten gemäss dem Kommunikationswissenschaftler vor allem zwei Dinge berücksichtigen: Transparenz und Übereinstimmung zwischen dem Sagen und dem Tun. «Nur wer die Prozesse und Überlegungen darlegt, die zu bestimmten Einschätzungen und Handlungen führen, hat eine Chance darauf, als glaubhaft zu gelten», betont Thomas Häussler. Und würde der Bundesrat etwa sagen, er ginge davon aus, dass die Corona-Pandemie sich ungebrochen bis ins nächste Jahr hinzieht, gleichzeitig aber alle Vorsichtsmassnahmen aufheben, wäre dies ohne weitere Begründungen nicht glaubwürdig.

Schliesslich würde gerade in Krisenzeiten die Zustimmung zu Regierungen und Behörden steigen. Dass grundsätzlich aber eher ein Vertrauensverlust in Behörden und Wissenschaft vorliege, bestätigt Häussler. Der Grund dafür liege aber im Wandel der Gesellschaft. Ausserdem hätten wir durch die Digitalisierung einfacheren Zugang zu «alternativen Deutungsangeboten» – die eben eher weniger den oben genannten «klassischen Stellen» für Informationsvermittlung entsprechen.

Thomas Häussler

Der Linguist und Kommunikationswissenschaftler ist Oberassistent am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Uni Bern. Er befasst sich mit dem Schnittbereich zwischen politischer (Online-)Kommunikation und deliberativer Demokratie.

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