Am 16. März mussten Sie mitteilen, dass bis mindestens am 30. April keine Gottesdienste mehr stattfinden. Wie hat sich das angefühlt?
Im Moment selber war es entlastend, den Kirchgemeinden endlich kommunizieren zu können, was gilt. Darauf hatten wir uns vorbereitet. Die Wochen bevor der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» erklärte, waren schwierig. Wir fragten uns ständig, ob es noch sinnvoll ist oder nicht, die Gottesdienste stattfinden zu lassen.
Aber Sie haben so etwas doch auch noch nie erlebt. Die Massnahmen sind absolut einschneidend für das kirchliche Leben.
Klar, ich bin zu jung, um so etwas schon einmal erlebt zu haben. 1973 gab es eine Autobahnschliessung, das ist das einzig vergleichbare. Ich glaube aber, dass wir als Kirche heute besser vorbereitet sind als vor zwanzig Jahren. Damals wäre der Schock noch viel grösser gewesen. Heute gibt es immerhin Formen von digitaler Vernetzung und virtueller Nähe. Man kann miteinander geistliche Impulse austauschen oder online Musik hören miteinander. Im Moment herrscht aber noch viel Geschäftigkeit. Erst in ein paar Wochen werden wir die Konsequenzen wirklich spüren, wenn es jeden Tag draussen so still ist wie an einem Sonntagmorgen.
Manchen Seelsorgenden waren die kirchenrätlichen Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zu technisch. Sie vermissten eine theologische Botschaft.
Am 16. März war das oberste Ziel des Kirchenrats, die Gemeinden möglichst rasch zu informieren, um ihnen Sicherheit zu geben. Ich war Notfallseelsorger, und die Situation erinnert mich an einen Unfall. Kommt das Rettungsteam an den Unfallort, muss es zunächst den Schadensplatz sichern und erste Hilfe leisten. Das haben wir mit der Mitteilung der Massnahmen gemacht. Erst danach komme ich als Notfallseelsorger ins Spiel und kann mich den Sinnfragen annehmen. In dieser zweiten Phase sind wir jetzt. Der Kirchenrat hat am 18. März Hilfestellungen für Kirchgemeinden veröffentlicht, wie sie auch ohne reale Begegnungen die Gemeinschaft erhalten können.